Was 2024 bringt – eine Alben-Vorschau

The Black Keys live Hamburg 2023 Stadtpark by Gérard Otremba Sounds & Books

Das Musikjahr 2023 ist Geschichte – nun richtet sich der Blick nach vorn. Eine Vorschau auf mit Spannung erwartete Alben, feste VÖ-Termine 2024 – und begründete Spekulationen.

von Werner Herpell

Alle Jahresbestenlisten für 2023 sind geschrieben – das Musikjahr 2024 kann also kommen. Sounds & Books hat sich dafür durch diverse Künstler-Websites und allerlei seriöse VÖ-Stories – von „Uncut“ und „Mojo“ bis „New Musical Express“ und „Rolling Stone“ – gewühlt.

Fest angekündigt und fast sicher

Es geht gleich im Januar schwungvoll los mit neuen Alben von Green Day und dem Radiohead-Ableger (oder letztlich doch Nachfolger?) The Smile. Die Libertines, Großbritanniens Artpop-Lieblinge Elbow, Indie-Folk-Sängerin Adrianne Lenker und die Shoegaze-Ikonen Ride folgen im März, die Neo-Bluesrocker The Black Keys wollen im April eine „Party-Platte“ veröffentlichen. Weitere große Namen werden für 2024 gehandelt – praktisch gesichert sind im Laufe dieses Jahres neue Werke von Nick Cave & The Bad Seeds, Paul McCartney und David Gilmour, hinzu kommen spannender Indie-Pop von The Weather Station und John Grant sowie das große Comeback des Spiritual-Jazz-Giganten Kamasi Washington.

Erwartet und insgeheim erhofft

Und dann wären da noch die üblichen „begründeten Spekulationen“: zuvorderst wie schon so oft die Gothic-Wave-Rock-Wiederkehr von The Cure, ein weiteres (Soul?-)Soloalbum von Bruce Springsteen, ein „Hackney Diamonds“-Nachschlag der Rolling Stones, Neues von Wilco-Boss Jeff Tweedy mit seinen Söhnen und von der wunderbaren St. Vincent. (Ach ja, und dieser Preview-Schreiber setzt auf Erlösung in Form einiger bereits lange überfälliger britischer Comebacks, etwa von Schottlands Indiepop-Helden James Grant und Trash Can Sinatras sowie vor allem vom eremitischen Sophisticated-Pop-Genie Paddy McAloon alias Prefab Sprout.)

Hier nun ein Dutzend der wichtigsten bereits feststehenden Album-Veröffentlichungen bis Ende April (in chronologischer Reihenfolge):

Bill Ryder-Jones (12.01.2024)

Dem Ex-Gitarristen der Sixties-Revivalisten The Coral aus der Nähe von Liverpool wird mit dem walisisch betitelten „Lechyd Da“ mindestens im UK der große Durchbruch zugetraut. Auf seinem ersten Soloalbum seit fünf Jahren verbindet der hoch talentierte Singer-Songwriter romantischen Indiepop und klassischen Sixties-Merseysound mit üppigen Streicher- und Chor-Arrangements. Die britische Musikpresse ist schon mal hellauf begeistert.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Green Day (19.01.2024)

Dreißig Jahre ist es inzwischen her, dass die kalifornische Punkrock-Band mit „Dookie“ riesengroß wurde, zwanzig Jahre liegt der Genre-Klassiker „American Idiot“ zurück. Ob Frontmann Billie Joe Armstrong und seine Mitstreiter auf dem neuen Werk „Saviors“ in einem entscheidenden US-Wahljahr wieder mal ihre politische Seite ausleben? Aufrüttelnde Songs wären ja keine schlechte Idee angesichts der Diktatur-Drohungen von Donald Trump.

The Smile (26.01.2024)

Das All-Star-Trio von Thom Yorke und Jonny Greenwood (beide Radiohead) mit dem Brit-Jazz-Drummer Tom Skinner bleibt unberechenbar, wenn man der (superben) Single „Wall Of Eyes“ vertrauen darf. So heißt dann auch das zweite Album von The Smile, die das Lächeln nicht gerade zu ihrem Markenzeichen erhoben haben. Ein ambitionierter Mix aus Art-Rock, Electropop, Afrobeat und Modern-Jazz dürfte am Ende dabei herauskommen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Brittany Howard (02.02.2024)

Die frühere Sängerin der Alabama Shakes, eine veritable Soul-Rock-Röhre, kehrt mit ihrem zweiten Soloalbum „What Now“ zurück, und man sollte sich auf einen vokalen Vulkan einstellen. Der Nachfolger von „Jaime“ (2019), das auf den Jahresbestenlisten von „Pitchfork“, „New York Times“, „Rolling Stone“ und NPR landete, enthält laut Howards Label-PR „alles von Psychedelia und Tanzmusik bis hin zu Dream-Pop und Avant-Jazz“.

MGMT (23.02.2024)

Als „Neo-Psychedelic-Rock“ in der Nähe von Flaming Lips oder Tame Impala wird die Musik der Band um Ben Goldwasser und Andrew VanWyngarden gern eingeordnet, die mit „Oracular Spectacular“ (2007) und „Congratulations“ (2010) emsig begann, ehe die Veröffentlichungen spärlicher wurden. Umso gespannter sind wir auf „Loss Of Life“ – setzt es den quietschbunten Synthpop-Sound früherer Alben fort, oder präsentieren sich MGMT gereift?

The Libertines (08.03.2024)

Die Freude war groß, als der überraschend wohlgenährte Ex-Junkie Pete Doherty und sein alter Buddy Carl Barât Mitte Oktober mit dem sofort als Libertines-Song erkennbaren „Run Run Run“ zurückkehrten und sogleich ein neues Album nach fast neun Jahren Pause ankündigten. „All Quiet On The Western Esplanade“ besteht aus elf neuen Tracks – darunter der Closer „Songs They Never Play On The Radio“. Ob das wohl stimmt?

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

The Jesus And Mary Chain (08.03.2024)

Ohne diese Schotten wären die Sub-Genres Noise-Rock und Shoegaze der 80er/90er kaum denkbar – die TJAMC-Frontmänner Jim und William Reid haben sich vor auch schon bereits vier Dekaden im Indie-Sektor bleibende Verdienste erworben. Das nach 19 Jahren Pause veröffentlichte „Damage And Joy“ (2017) wurde positiv aufgenommen, mit „Glasgow Eyes“ schmieden die beiden Brüder demnächst das Comeback-Eisen weiter.

Adrienne Lenker (22.03.2024)

Die Frontfrau der Indie-Folk-Erneuerer Big Thief kann derzeit offenkundig nichts falsch machen – die Kritiker liegen der 32-jährigen US-Amerikanerin regelmäßig zu Füßen. Das war auch beim Solo-Doppelalbum „Songs/Instrumentals“ (2020) nicht anders. Und warum sollte der Hype abflauen – wenn man die im Dezember erschienene Vorab-Single „Ruined“ zugrunde legt, wird der Longplayer „Bright Future“ Lenkers nächster großer Wurf.

Sheryl Crow (29.03.2024)

64 Jahre alt wird die Folkpop-Sängerin in diesem Februar, bereits vor einigen Wochen erhielt sie die ehrenvolle Eintrittskarte für die Rock and Roll Hall of Fame. Zu diesem Anlass lancierte Crow die überraschende Nachricht, 2024 ein weiteres Album – ihr zwölftes seit dem Sensations-Debüt „Tuesday Night Music Club“ (1993) – zu veröffentlichen. Und wer die Songs von „Evolution“ höre, werde spüren, dass sie aus ihrer Seele kommen.

Elbow (März 2024)

„Wir haben da einige sehr große Lieder“, kündigte die im UK extrem populäre Truppe um Knuddelbär-Sänger Guy Garvey mit Blick auf ihr neues Album an (genauer VÖ-Termin und Titel noch unbekannt). Es soll mehr Groove und Punch haben als der Vorgänger „Flying Dream 1“ (2021), der gerade wegen seiner Zartheit für manche Kritiker die bisher beste Elbow-Platte war. Aber bei dieser Manchester-Band klang ja sogar Stadion-Rock immer super.

Ride (März 2024)

Wie My Bloody Valentine oder Slowdive waren Ride erfolgreiche Surfer auf der Shoegaze- und Dreampop-Welle der 90er Jahre – und setzten sich damit eigentlich vom vorherigen Jahrzehnt ein Stück weit ab. Wie Band-Mitglied Andy Bell jetzt dem „Uncut“-Magazin über das nächste Album (genauer VÖ-Termin und Titel noch unbekannt) sagte, geht es diesmal eher in die Eighties-Richtung von Tears For Fears und Talk Talk. Klingt doch spannend.

The Black Keys (April 2024)

Für Sänger/Gitarrist Dan Auerbach ist das neue Album der US-Bluesrocker (genauer VÖ-Termin und Titel noch unbekannt) „almost like a party record“. Und zwar schon deshalb, weil man bei den Aufnahmen in Nashville „so much fun“ gehabt habe. Das Sound-Geheimnis von Auerbach und Drummer Patrick Carney wirkte zuletzt irgendwie entschlüsselt. Vielleicht bringen ja Gäste wie Noel Gallagher, Beck und Alice Cooper frischen Wind.

Und hier ein weiteres Dutzend der interessantesten VÖ-Andeutungen, -Spekulationen und -Gerüchte für 2024 (in alphabetischer Reihenfolge):

Nick Cave & The Bad Seeds

Irgendwann im Laufe des Jahres soll ein Nachfolger der ätherischen Trauer-Alben „Skeleton Tree“ (2016) und „Ghosteen“ (2019) mit den Bad Seeds erscheinen. Cave, der zuletzt mit Warren Ellis das bärenstarke Duo-Werk „Carnage“ vorlegte, spricht von „neuen und schönen Liedern“, in denen er sich der besonderen „Verletzlichkeit“ eines Sängers hingeben konnte. Laut „Mojo“ gibt es wohl einen Gastauftritt von Radiohead-Bassist Colin Greenwood.

The Cure

Das letzte reguläre Studioalbum von Robert Smith & Co. hieß „4:13 Dream“ und ist von 2008. Gleichwohl haben The Cure immer wieder Tourneen absolviert und so zumindest live zahllose Fans mit ihrem konsequenten Düster-Sound glücklich gemacht. Seit einiger Zeit spielt die legendäre Gothic-Band neue Songs wie „And Nothing Lasts Forever“. Vielleicht dauert ja auch die Studiopause nicht für immer. Der Albumtitel soll „Songs Of A Lost World“ lauten.

Billie Eilish

Nur wenige junge Popmusiker werden von Fans, Kritikern und Kollegen gleichermaßen so verehrt wie die queere Sängerin mit der coolen Hauchstimme. Zuletzt war von ihr der Song „What Was I Made For“ aus dem „Barbie“-Soundtrack zu hören. In Jimmy Fallons „Tonight Show“ sagte Eilish nun, die Tracks für ihr drittes Album mit Produzenten-Bruder Finneas – der Nachfolger von „Happier Than Ever“ (2021) – seien „almost done“.

David Gilmour

Neben dem neuen Album von Ex-Genesis-Gitarrist Steve Hackett (VÖ 16.02.2024) dürften Prog-Rock-Fans vor allem das ziemlich sicher kommende Werk des Pink-Floyd-Saitenmagiers mit Spannung erwarten. Gilmours Ehefrau Polly Samson vermittelte auf Instagram bereits Eindrücke von den Aufnahmen im Studio von Mark Knopfler. Nach den tollen Konzerten zum Vorgänger „Rattle That Lock“ könnte eine weitere Tour des fast 78-Jährigen folgen.

John Grant

Der US-Sänger mit der grandiosen Baritonstimme hatte – nach dem kuscheligen Solo-Start 2010 an der Seite der Folkrocker Midlake – zuletzt ein Faible für Electro-Pop entwickelt. Sein für den Sommer geplantes Album beim Label Bella Union klinge, „as if John Carpenter were in The Carpenters“, verriet Grant nun dem „Uncut“-Magazin. Hört sich nach einer wiederum exzentrischen Mischung aus kühlen Maschinen-Sounds und warmen Vocals an.

Paul McCartney

Sein Kurzauftritt als Bassist auf dem Sensations-Comeback „Hackney Diamonds“ der Rolling Stones ist noch in frischer Erinnerung. Mit dessen Produzent Andrew Watt soll sich der inzwischen 81-jährige „Macca“ seit einiger Zeit so gut verstehen („We’ve had some fun“), dass man bereits an Songs arbeitet, die durchaus auf einem Nachfolger des herausragenden Alterswerks „McCartney III“ (2020) landen könnten. Ob es schon dieses Jahr soweit ist?

The Rolling Stones

Apropos Stones/Watt: Der weltweite Erfolgslauf von „Hackney Diamonds“ – diesmal nicht nur bei den zahllosen treuen Verehrern der Band, sondern auch bei den früher oft mäkeligen Popkritikern – könnte in eine weitere Runde gehen. Denn Mick ’n‘ Keef und die anderen alten Jungs haben aus den Sessions wohl noch weitere Stücke in petto. Wenn sie die Qualität der Hackney-Diamanten haben, freuen wir uns sehr über einen Nachschlag.

Bruce Springsteen

Dass „der Boss“ auch Soul singen kann, hat er früher in R&B-nahen eigenen Albumtracks sowie mit Live-Covers manches Mal bewiesen. Auf „Only The Strong Survive“ (2022) widmete er sich nun voll und ganz der Würdigung schwarzer Musik mit mehr oder weniger bekannten Liedern aus früheren Dekaden. Der Zusatz „Covers Vol. 1“ deutete bereits an, dass es Springsteen dabei nicht belassen will. „Vol. 2“ könnte also dieses Jahr fällig sein.

St. Vincent

Bei Annie Clark weiß man nie, was kommt – zu bunt ist ihr Stilmix, zu breit ihre künstlerische Vision, zu sprunghaft ihr Temperament als Singer-Songwriterin und Gitarristin. Es war sicher kein Zufall, dass sie bei der Einführung von Kate Bush in die Rock and Roll Hall of Fame kürzlich deren Über-Hit „Running Up That Hill“ performen durfte. 2024 könnte St. Vincent ein Nachfolge-Album für das funky Meisterstück „Daddy’s Home“ (2021) abliefern.

Tweedy

Ach, der fleißige, unermüdlich kreative Jeff! Nach zwei Wilco-Juwelen („Cruel Country“ und „Cousin“ begeisterten 2022/2023 auch bei S&B nachhaltig), langen, erfolgreichen Band-Tourneen und mehreren Buchveröffentlichungen hat dieser große Singer-Songwriter laut „Uncut“ schon wieder Albumpläne – diesmal im Familienprojekt Tweedy mit seinen Söhnen Spencer und Sammy „and some of their friends and some of my friends“. Immer her damit.

Kamasi Washington

Für viele Experten ist dieser Saxofonist die Zukunft des Jazz – auch weil er keine Genre-Scheuklappen kennt, also für Soul, HipHop, Pop und sogar Klassik offen ist. Die Monumentalwerke „The Epic“ (2015) und „Heaven And Earth“ (2018) brachten Washington riesigen Respekt ein. Kürzlich wurde der 42-Jährige Vater – und das soll auch im nächsten, angeblich reduzierter klingenden Album seinen Ausdruck finden. VÖ: wohl Sommer 2024.

The Weather Station

Es hatte rund 15 Jahre gedauert, aber 2021 kam dann doch noch der Durchbruch für Tamara Lindeman alias The Weather Station. Mit dem brillanten Indie-Folk von „Ignorance“ (und dem ähnlich schönen Balladenalbum „How Is It That I Should Look At The Stars“) brachte sie die Kritiker zum Schwärmen. Später im Jahr 2024 soll es Neues von der kanadischen Singer-Songwriterin geben – laut „Uncut“ kein ganz neuer Sound, aber ein bisschen experimenteller.

(Beitragsbild: The Black Keys von Gérard Otremba)

Kommentar schreiben