Ein Folk-Rock-Musketier erinnert sich
von Gérard Otremba
Diese Engländer und ihre Queen. Sogar der längst mit einem amerikanischen Pass ausgestattete Graham Nash macht den stolzen Diener, um sich als Officer of the Order of the British Empire ehren zu lassen. Das war im Jahre 2010, Graham Nash damals 68 Jahre alt und seine musikalischen Verdienste als Mitglied von Crosby, Stills, Nash & Young lassen die englische Herkunft des 1942 in Blackpool geborenen und in Manchester aufgewachsenen Nash häufig genauso vergessen lassen wie seine Karriere in der Prä-CSN&Y-Phase.
Graham Nash als Mitbegründer der englischen Popband The Hollies
Denn bereits in der Schulzeit freundet sich Graham Nash mit Allen Clark an und gründet einige Jahre später mit ihm die Popband The Hollies. Gemeinsam mit Clark wird Nash als Sänger, Gitarrist und Songwriter die Triebfeder an diesem Projekt. Dementsprechend widmet Graham Nash die ersten Kapitel in Wild Tales seiner Jugendzeit in England, wo er in einem Vorort Manchesters aufwuchs, sich als kleiner Junge im Kirchenchor im Harmoniegesang übte und über die Rock’n’Roll-Platten von Elvis Presley, des Besuchs eines Bill Haley-Auftritts sowie der Everly Brothers-Single „Bye Bye Love“ endgültig der Faszination der neuen populären Musik erlag. Auf Konzertreisen mit den Hollies „verliebte“ sich Nash in die grenzenlose Freiheit der Vereinigten Staaten, respektive die Stadt New York, wo er Mitte der 60er David Crosby, damals noch Mitglied bei The Byrds, begegnete. Dass Graham Nash nur einige Jahre später die Hollies verließ, bei denen er sich einerseits in ein viel zu beengtes musikalisches Korsett gezwungen sah, und andererseits mittels Marihuana- und LSD-Konsums seinen geistigen Horizont erweiterte, während die anderen Hollies-Musiker lieber jeden Abend weiterhin ihre acht Bier tranken, verwundert nicht wirklich.
Graham Nashs Jahre mit David Crosby, Stephen Stills und Neil Young
Die folgende Crosby, Stills, Nash & Young-Ära prägte die musikalische Landschaft weitaus prägnanter als es die Hollies jemals vermocht hätten. Mit David Crosby, Stephen Stills, Graham Nash und Neil Young schickten sich vier ausgesprochen starke Persönlichkeiten, um nicht zu sagen Egozentriker, von denen Nash wohl noch der Umgänglichste von allen ist, ins Rennen, den Rock’n’Roll zu erobern. Zerwürfnisse waren an der Tagesordnung, doch die Liebe zur gemeinsamen Musik ließ den Verstand der Musiker oftmals ausgeschaltet und so nehmen sie in verschiedenen Konstellationen noch heute Platten auf und sind auf den Bühnen der Welt zu bestaunen. Offen, ehrlich und auch schonungslos schildert Graham Nash in Wild Tales seine Freundschaft zu David Crosby, dessen zeitweiliger Abstieg zum Drogenwrack immer noch erschüttert, sowie sein Verhältnis zu Stephen Stills und Neil Young, mit denen er in den 70er Jahren in den Superstar-Status aufstieg, wie diverse CSN&Y-Konzerte in amerikanischen Großarenen vor 50000 Fans beweisen. Wild Tales liest sich locker und beschwingt und besitzt die nötigen, signifikanten Merkmale einer Rock-Biographie: Sex, Drugs & Rock’n’Roll sowie einige intime und erheiternde Details. Nur die Geschichte mit der Queen passt irgendwie nicht ins Bild des Rebellenimages.
Graham Nash: Wild Tales – Ein Rock’n’Roll-Leben, Edel Books, Hardcover, 978-3-8419-0250-4, 22,95 €.