Auch mit „Rough And Rowdy Ways“ beweist Bob Dylan seine Könnerschaft
Acht Jahre sind seit der Veröffentlichung von „Tempest“ (2012), Dylans letztem Album mit Eigenkompositionen vergangen. Dazwischen lag die von manchen goutierte, von anderen abgelehnte Sinatra-Phase mit drei interpretatorischen Werken des Great American Songbook, zuletzt in Form des Dreifachalbums „Triplicate“ auftrumpfend (2017). Wie auch immer man die zu diesen Platten stehen mag, seiner Stimme tat dieser Ausflug gut, sogar live auf der Bühne diverser Konzerte der „Never Ending Tour“ war ein konzentriert und wie geölt singender Bob Dylan zu hören.
Bob Dylan erweist sein Ehrerbietung
Passagenweise har der 79-jährige Musiker diese Sangeskunst auf „Rough And Rowdy Ways“ hinübergerettet, passagenweise maunzt und krächzt der Altmeister gewohnt guttural. „Rough And Rowdy Ways“ ist das 39. Studioalbum des neben John Lennon und Paul McCartney einflußreichsten Songwriters der Rock-Pop-Kultur. Das Doppelalbum enthält zehn Tracks auf 70 Minuten Laufzeit und endet mit dem ersten, bei uns als Song des Tages vorgestellten, Vorabtrack „Murder Most Foul“, diesem 17-minütigen, beschwörenden Klagegesang inklusive zahlreicher Verweise auf die Populärgeschichte, ausgehend vom Attentat auf John F. Kennedy. Beatles und Woodstock hier, in anderen Songs erweist er Poe, Ginsberg, Kerouac, Whitman, Beethoven, Chopin, Martin Luther King, Shakespeare und Jimmy Reed seine Ehrerbietung. Dylanologen werden ihre helle Freude an der Exegese der Texte entwickeln.
Bob Dylan als Zauberer
Bob Dylan bleibt sich als Bewahrer amerikanischer Songtradition, zu dem er sich in den letzten Dekaden aufgeschwungen hat, treu. Dreckig-zackiger Blues-Rock („False Prophet“, „Goodbye Jimmy Reed“, „Crossing The Rubicon“) steht liebreizendem Romantizismus in „I’ve Made Up My Mind To Give To Give Myself To You“ – wo sich Dylan mal schnell bei Jacque Offenbach bedient – und „Mother Of Muses“ entgegen. Der Literaturnobelpreisträger erweist sich auch auf seinem Alterswerk als Zauberer, der uns gekonnt seine Kunststücke vorführt. Und sich Zeit für das Verweilen lässt.
Im fast zehnminütigen, von einem Akkordeon flankierten „Key West (Philosopher Pirate)“ verdichtet der Meister die amerikanische Geschichte mythisch aufgeladen zu einem Sehnsuchtsort auf der Atlantikinsel vor Florida. Einer der schönsten Songs des Albums, das mit guten Songs nicht geizt. Wie das zärtliche und an dieser Stelle von uns vorgestellte „I Contain Multitudes“, das düster-schleichende „My Own Version Of You“, oder das die Einsamkeit und Verlorenheit evozierende „Black Rider“ beweisen.
„Rough And Rowdy Ways“ hält die Klasse von „Tempest“
Einmal mehr bleibt einem nur die Verneigung vor der Könnerschaft Bob Dylans. Mit „Rough And Rowdy Ways“ hält er auf jeden Fall die Klasse von „Tempest“ und schenkt uns erneut ein meisterliches Album. Die Corona-Pandemie hat Dylans „Never Ending Tour“ vorerst gestoppt, ein baldiges Ende dieses unseligen Zustands bliebt zu wünschen, das Verlangen nach Live-Interpretationen der neuen Songs wächst stündlich.
„Rough And Rowdy Ways“ erscheint am 19.06.2020 bei Columbia Records / Sony Music. (Beitragsbild: Credit: Karsten Jahnke GmbH, Sony Music)
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