CD-Kritik zu Bob Dylan: Tempest

Bob Dylan gelingt mit Tempest ein Meisterwerk

von Gérard Otremba

Bob Dylan ist einfach der coolste Musiker dieses Planeten. Ein Blick auf das Photo im Booklet seines neusten Albums „Tempest“ genügt. Der obligatorische Hut, die schwarze Lederjacke leger über die Schultern gehängt und lässig an der Zigarre qualmend. Um ihn herum gruppiert seine Live-Band, die die neue Platte des Meisters aus Duluth, Minnesota, klanglich veredelt. Ein Boss und seine Gang. Bassist Tony Garnier, Drummer George G. Receli, sowie die Gitarristen Charlie Sexton, Stu Kimball, Donnie Herron und David Hidalgo begleiten Dylan nun schon eine Zeit lang auf dessen sogenannter „Never Ending Tour“ um die Welt und harmonieren auch im Studio prächtig.

Bob Dylans Neubeginn und sein famoses Alterswerk

Seit 1989 und dem Album „Oh Mercy“ erfreut der 71-jährige Bob Dylan seine Anhänger mit teils brillanten Platten und „Tempest“ reiht sich nicht nur perfekt in sein Alterswerk ein, sondern bildet ein Art Quintessenz dieser Schaffensperiode. „Oh Mercy“ und der mehr oder weniger gleichzeitige Begin der „Never Ending Tour“ stellten einen Neubeginn in Dylans Karriere dar und machten vergleichsweise schlecht produzierte Alben, wie „Empire Burlesque“, „Knocked Out Loaded“ und „Down In The Groove“ schnell vergessen. „Time Out Of Mind“, „Love And Theft“, „Modern Times“ und „Together Through Life“ waren in sich außerordentlich stimmige Platten und zeigten Dylan auf einem erneuten Zenit seines Könnens. Drei Jahre nach „Together Though Life“ macht „His Bobness“ mit dem quirligen Country-Roll-Shuffle „Duquesne Whistle“ auf “Tempest” weiter. Der Abstecher ins Studio hat sich gelohnt. Dylans spröder Charme des rauhen Krächzens wirkt präsent, prägnant und akzentuiert. Dass der Altmeister jedoch nicht nur halb heiser ins Mikro raunzen kann, beweist er bei „Soon After Midnight“, einer verliebt-verlorenen Crooner-Ballade, bei der sich seine Stimme vergleichsweise wie geölt anhört. Doch Dylan wäre nicht Dylan, ließ er uns nicht seine Vocals sogleich wieder wesentlich aufgekratzter für „Narrow Way“ erklingen. Aber genau so wollen wir es ja auch haben. Diese flotte Uptempo-Nummer mit einem antreibenden Gitarrenriff erstreckt sich auf über sieben Minuten und besticht durch die erzählerische Note in Dylans Texten, die sich zwischen Liebe, Mord, Tod, religiösen Anspielungen, Wirklichkeit, Imagination, Drama und Tragödie ansiedeln.

Bob Dylan zwischen Düsternis, Blues und der Titanic

Ähnlich gestrickt das neunminütige „Tin Angel“, ein bedrohlich schleichender Song, wie einstmals der „Man In The Long Black Coat“. Oder das ob seiner Düsternis an die „Time Out Of Mind“-CD erinnernde „Scarlet Town“, mit Mandoline und Geigen verziert. In „Long And Wasted Years“ erklingt in Dylans Stimme die klagende, gar höhnische Note wie früher bei „Like A Rolling Stone“. Zu einem der vielen Highlights von „Tempest“ gehört zweifellos „Pay In Blood“, in dem Dylan uns den Text bitterbös entgegenkläfft. Große Kunst, die keiner so beherrscht wie Bob Dylan. Dann noch der knorrige Blues „Early Roman Kings“, sowie der 14-minütige Titelsong „Tempest“, ein Akkordeon-Schunkler über den Untergang der Titanic, frei und neu erzählt vom immer noch größten Dichter der Rock-Popgeschichte. Zum Ausklang dieses wunderbaren Albums erschallt „Roll On John“, eine tief berührende, balladeske Hommage an John Lennon, einen der ebenbürtigen Kollegen Dylans. Mit „Tempest“ beweist Bob Dylan einmal mehr, dass er der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Ein großartiges und hoffentlich nicht sein letztes Werk.

„Tempest“ von Bob Dylan ist am 07.09.2012 bei Columbia / Sony Music erschienen.

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