„Eine Feier der Eleganz und Schönheit, eine Popwelt jenseits von Lederjacken und Jeans“: Die Retrospektive des Labels Él Records begeistert.
von Werner Herpell
Es gibt Plattenfirmen, die wollen mehr sein als Gelddruckmaschinen oder Auffangbecken für „kleinere“ Künstler. Diese Labels sind eher Projekte von Idealisten und Überzeugungstätern, die sich an einen kleinen (manchmal auch bewusst klein gehaltenen), elitären Kreis von Pop-Gourmets richten. Postcard aus Schottland gehörte in den 80ern dazu mit Acts wie Aztec Camera oder Orange Juice, Sarah Records aus England zwischen 1987 und 1995 mit The Field Mice, The Orchids und Heavenly.
Von Cherry Red zu Él Records
Mit Marina aus Hamburg ist sogar eine deutsche Mini-Musikfirma darunter, zu deren Top-Bands etwa The Bathers, The Pearlfishers oder Dislocation Dance zählen (alle zuletzt mit hervorragenden Comeback-Alben). Auch die britischen Cherry Red Records lassen sich zu jenen Feinschmecker- und Auskenner-Firmen rechnen, dort wurden seit Ende der 70er etwa Everything But The Girl, The Monochrome Set oder Felt unter Vertrag genommen. Womit wir bei Él Records wären, dessen kurze, aber wirkungsvolle Geschichte jetzt in einer geschmackvollen Kompilation zusammengefasst wird.
Denn Él-Chef und treibende Kraft war Mike Alway, vorher ein gewiefter A&R-Mann für die erwähnten Cherry Red, kurzzeitig Mitgeschäftsführer von Blanco Y Negro (einem WEA-Ableger), dann von 1984 bis 1988 unter eigener Indiepop-Flagge unterwegs. Und davon erzählt nun der vorbildliche 25-Track-Sampler „The Rubens Room – Él Records: In Camera“.
So englisch wie nur möglich
Él wurde einmal als „das ursprünglichste englische Plattenlabel, das es je gab“, beschrieben. In den Eighties erreichte die Exzentrik seiner Künstler, der wilde Stilmix und der nostalgische Sound (zwischen Sixties-Pop in der Nähe von Scott Walker, Burt Bacharach, The Kinks oder The Beach Boys, Doo-Wop, Swing, Italowestern-Score, orchestralen Barock-Pop-Schwelgereien, Musical-Kitsch, Flamenco und Latin-Jazz) gerade deswegen eine gewisse Reichweite – wenn auch nicht in kommerzieller Hinsicht. Warum etwa Marden Hill (auf der Kompilation mit drei wunderschönen Stücken vertreten) in der britischen Jazz-Pop-Welle nicht ähnlichen Erfolg hatten wie Swing Out Sister, The Style Council oder Matt Bianco, bleibt rätselhaft.
Der Ansatz von Mike Alway „bestand darin, die Philosophie der Veröffentlichungen des Labels und sogar die Titel der Songs in der Art der Pop-Impresarios der Vergangenheit vollständig selbst zu bestimmen“, erläutert Tapete Records (Hamburg) – seinerseits ein Liebhaber-Label, das folgerichtig diesen Rückblick-Sampler herausgibt. „Alway wurde zum Kurator, der die Platten auswählte, gestaltete und überwachte, die auf Él erschienen. Er beschäftigte Songschreiber, die klassische Poptechniken beherrschten, wie Nicholas Currie (alias Momus) und Philippe Auclair (alias Louis Philippe), die ihre eigenen Platten herausbrachten und gleichzeitig für andere Él-Künstler schrieben, arrangierten und auftraten. (…) Alway sah Él als eine Feier der Eleganz und Schönheit: eine Popwelt jenseits von Lederjacken und Jeans.“
Willkommener Rückblick auf „The Rubens Room“
Mit dem formidablen Sophisticated-Pop-Gentleman Louis Philippe (fünf Tracks), Anthony Adverse (zwei), The King Of Luxembourg (drei), Would-Be-Goods (drei), Marden Hill (drei), Bad Dream Fancy Dress (drei), The Monochrome Set (einer), Always (zwei), Momus (zwei) und Simon Fisher Turner (einer) werden insgesamt zehn Él-Acts der 80er vorgestellt. Wie wichtig dieses Label gerade auch für die Popmusik in Japan wurde, ist eigentlich eine weitere Kompilation wert.
Schön erst einmal, dass es diese willkommene Retrospektive auf vier Plattenseiten nun gibt. „The Rubens Room“ wird vom Buch „Bright Young Things“ von Mark Goodall (Ventil-Verlag) begleitet. Dass aus der Philosophie von Él immer noch Gutes hervorgeht, zeigt die in Kürze erscheinende neue Platte „The Road To The Sea“ von Louis Philippe & The Night Mail. Soviel sei schon mal versprochen: Der 02.05.2025 wird ein Festtag für Fans des hier beschriebenen Gourmet-Pop.
Die Label-Retrospektive „The Rubens Room – Él Records: In Camera“ erscheint am 11.04.2025 bei Tapete Records. (Beitragsbild: Albumcover)