Moses Sumney: græ – Albumreview

Moses Sumney credit Eric Gyamfi

Moses Sumney begibt sich mit „græ“ auf Identitätssuche

Moses Sumney knüpft lyrisch mit der Vervollständigung seines Doppelalbums „græ“ nahtlos an die bereits veröffentlichten zwölf Lieder an. Die Performance Sumneys bei der COLORS Session mit der Single-Auskopplung „Cut Me“, steigerte bereits letzte Woche die Vorfreude auf acht weitere, vollendende Tracks seines zweiten Studio Albums. Er überzeugt erneut mit seiner einzigartig zarten Stimme und gibt sich zugleich intimer als in bisherigen EPs oder seinem 2017 erschienenen Debütalbum „Aromanticism“. 

Während Konturen zu verblassen scheinen, bleibt Sumneys Sinn für Lyrik scharf

Allgegenwärtiges Thema scheint für den, in Kalifornien geborenen, Künstler eines zu sein: Die Suche nach Identität. Die Auseinandersetzung mit der persönlichen Gegenwart, den ghanaischen Wurzeln und der Gesellschaft. Denn Letztere ist „græ“. Schwarz und weiß, wie die Hunde in dem mit Soul bespickten Eingangs-Song „Two Dogs“. Konturen vermischen sich und sie werden grau. Die Hunde – Die Gesellschaft? „Have you ever at least loved a pet?“, lässt er sich im Outro des Liedes zitieren. Es wird erneut offensichtlich warum Sumney Kreatives Schreiben studiert hat. Im bereits veröffentlichten Track „Virile“ singt er von ausbleichenden Übergängen zwischen den in der Gesellschaft projizierten Geschlechterrollen. Konturen verschwimmen, aus schwarz und weiß wird „græ“. Man benötige nicht noch mehr Potenz, keine Not zu mehr Männlichkeit. Das Intro „Insula“ erhält seine Fortführung mit dem Sprechtext „and so I come to isolation“. Er stellt fest, dass er über die gesamte Dauer seines Lebens „islanded“ war. Isoliert. 

„The source is irrelevant when it comes to truth“ 

Moses Sumney Græ Cover Jagjaguwar

Mit einer Vielzahl an genutzten Instrumenten muss man bei der Fortführung des Albums nicht rechnen. Auch rhythmisches Schnipsen wie in „Rank & File“ (aus der EP „Black in Deep Red, 2014 ) bleibt aus. Umso größer wird der Genuss, gelungenen Kombinationen aus präsentem Bass und Rim Shots bei Stücken wie „Bless Me“ zuzuhören. Zum Ende hin ergänzen Backing Vocals Sumneys Stimme, verschwimmen mit ihr, bis sie ihn letztlich eindrucksvoll alleine lassen: „Bless me, before you go, you’re going nowhere with me“, wiederholt er sich. Im Generellen sind Schlagzeug und Sechs-Saiter seltener anzutreffen als beim Vorgänger „Aromanticism“. Vielleicht gerade weil es sich bei „græ“ um Identität und Herkunft handelt; musikalisch begann Moses Sumney immerhin a capella. Die an Klapperschlangen erinnernde Snare in „Me In 20 Years“ mag eventuell eine Hommage an seinen Heimatstaat Kalifornien sein, vor allem aber ist sie die Vertagung einer Antwort.

Mit „græ“ bewirbt sich Moses Sumney für mehr

Die acht neuen Songs komplettieren das Doppelalbum „græ“, dessen erste Hälfte bereits am 21. Februar diesen Jahres bei Jagjaguwar erschienen ist. Mit der Ergänzung führt Moses Sumney das Album in seiner gewohnt poetischen Art fort und baut auf der unvollendeten Suche nach Identität auf. Unvollendet bleibt die Suche aber auch nach dem Ausklingen des letzten Tons. Es gilt abzuwarten, was auf dieses Album folgt, ob der in „Me In 20 Years“ beschriebene Hohlraum zu füllen ist. Obwohl Text und Musik intim sind, gelingt es Moses Sumney, über die Gesamtspiellänge von 65:54 Minuten hinweg, eine Distanz zum Hörer beizubehalten. Die Lieder sind mit ausdrücklicher Nähe und Ferne zugleich gefüllt. Durch seine starken lyrischen Elemente verdunkelt er an manch einer Stelle Hintergründe. „græ“ eben.

Der zweite Teil von „græ“ erscheint am 15. Mai 2020 bei Jagjaguwar. Zuzüglich der ohnehin schon veröffentlichten, ersten Hälfte sind „Me In 20 Years“ & „Bless Me“ bereits digital erhältlich. (Beitragsbild von Eric Gyamfi)

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