Bob Dylan live in Nürnberg 2018 – Konzertreview

Bob Dylan Karsten Jahnke GmbH Sony Music

Das Nürnberger Publikum feiert Bob Dylan

Die Zeiten der großen Überraschungen bei Bob Dylan-Konzerten sind vorbei. Die Zeiten, in denen der 76-jährige Songwriter aus Duluth, Minnesota, Abend für Abend seine Setlist umkrempelte, ebenfalls. Das Programm steht und nur unwesentliche Veränderungen zur letztjährigen Tour, die Sounds & Books beim Konzert in Hamburg beobachtete, baut Daylan am 22.04.2018 in der ausverkauften Nürnberger Frankenhalle ein. Eine der wichtigsten ist gleich zu Beginn des pünktlich um 20 Uhr mit „Things Have Changed“ eröffneten Konzertes zu hören.

Der alte Klassiker „Don’t Think Twice, It’s All Right“ swingt in der neuen Version sanft durch die Halle, Dylans Gesang ist bei diesem Stück in Leonard Cohen-Tiefen angekommen. Bob Dylan macht es sich im positiven Sinne gemütlich hinter seinem Piano, mal stehend, mal sitzend, seine kongeniale Band mit Tony Garnier am Bass, den Gitarristen Charlie Sexton und Stu Kimball sowie Donnie Herron an der Pedal Steel und Schlagzeuger George Receli ist schnell im Flow und „Highway 61 Revisited“ rollt majestätisch daher.

Auf rockige Momente verzichten Dylan und seine fünfköpfige Band fast vollständig. Lediglich bei „Honest With Me“ lassen sich die Herren auf ein beherztes Stück Rock’n’Roll ein und frönen dem Blues-Rock in „Early Roman Kings“, während „Thunder On The Mountain“ im Boogie-Roll-Gewand vorwärts galoppiert. Zu einer liebreizenden Performance lässt sich Dylan bei „Simple Twist Of Fate“ hinreißen, die hier eingeschlagene Melancholie überbietet er nur noch in den todtraurigen „Frank Sinatra„-Stücken „Melancholy Mood“, „Come Rain Or Come Shine“ und „Autumn Leaves“.

Die Sintra-Alben spalteten bekanntlich mal wieder seine Fangemeinde, in Nürnberg erhält Bob Dylan, wie allen negativen Kritiken zum Trotz, bereits bei den ersten Takten dieser Coverversionen aufmunternden Applaus. Es ist aber auch absolut  hörenswert, wie er aus jeder Note noch die letzte Träne herauszupressen vermag. Faszinierend bei Dylans Live-Darbietungen sind natürlich immer wieder und immer noch die Rhythmus- und Arrangementwechsel im Vergleich zu älteren Bühnenfassungen. „Tangled Up In Blue“ wird vom Literaturnobelpreisträger des Jahres 2016 Jahr für Jahr gerne mit neuen Ideen jung gehalten, in Nürnberg bekommen die Fans eine der bislang wohl improvisiertesten Fassungen geboten. Ähnlich wie in Hamburg vor fast genau einem Jahr, zählt „Desolation Row“ zu den Gewinnern des Abends, diesmal zwischen Zurückhaltung und Feuerwerk changierend.

„Pay In Blood“ bleibt geheimnisvoll, jedoch nicht so fies, wie bereits auf anderen Dylan-Konzerten vernommen. Auch das dunkle „Love Sick“ bleibt distanziert, schöpft aber daraus neue Kraft. Zum Schluss verlässt Bob Dylan nochmal, wie sonst nur zu den „Sinatra“-Songs, sein Piano und croont in der Mitte der im gedämmten Abendlicht gehaltenen Bühne der Frankenhalle noch ein herzergreifendes „Long And Wasted Years“. Die erste Zugabe „Blowin‘ In The Wind“ beginnt mit dem sehnsüchtigen Geigenspiel Donnie Herrons aus dem Dunkel und endet mit Sextons und Kimballs strahlenden Gitarrenlicks. Am Ende steht ein düsteres und souveränes „Ballad Of A Thin Man“ und nach gut 105 Minuten verbeugt sich der Meister vor seinem Publikum und wird völlig zu Recht für dieses Konzert gefeiert.

(Beitragsbild: Bob Dylan, Pressefoto Karsten Jahnke GmbH, Sony Music)

Kommentare

  • <cite class="fn">Gumeke</cite>

    Tolles Konzert , der Meister scherzt mit dem Publikum , stellt seine Musiker vor , echt freundlich und überraschend.! Der Sound hervorragend , die Stimme klar und fest . Das ganze ohne Drogen ?

  • <cite class="fn">Schöffel Roland</cite>

    Man stelle sich vor, man geht in ein Nobelrestaurant, freut sich auf einen schönen Abend – und dann
    werden: Pommes, angebrannte Currywurst und als Dessert eine Kugel Eis ohne Sahnehäubchen serviert. Ein Grund, das Menü zu verweigern……… Beim Dylan Konzert in Nürnberg konnten wir das Essen nicht zurück gehen lassen – aber wir haben das Konzert vorzeitig verlassen.

    • <cite class="fn">Gumeke</cite>

      Verständlich…

    • <cite class="fn">Wilhelm Dietl</cite>

      Lieber Roland Schöffel,

      ganz ehrlich, Sie hatten sich verlaufen, wollten eigentlich zu Helene Fischer oder Matthias Reim, die aber gerade nicht da waren. Bevor der Abend gar nichts brachte, gingen Sie zu diesem…. Wie hieß er nochmal? So kann ja nichts Gutes entstehen.
      Nur kurz: Es war eines der besten Dylan-Konzerte seit langer Zeit, mit vielen Ideen und bester Musik, der Meister in Hochform. Am Ende verabschiedete er sich sogar. Unglaublich. Bob, komm bald wieder, bald wieder nach Haus…! Ach ja, der würde Ihnen gefallen, der dieses Lied gesungen hat. Abwarten, auch Freddy kommt mal nach Nürnberg. Dann stimmt die Welt wieder.

    • <cite class="fn">Felix Muth</cite>

      Ja, ein Gourmet sind Sie ja nun sicherlich nicht. Ich denke doch eher ein Freund von Schäuferl und Sauerkraut. Aber dann darf man auch nicht zu einem Bob Dylan Konzert gehen. Dieses Nürnberger Konzert war ein Himmel voll von funkelnden Sternen. Für mich war es das 35. BD Konzert – und für mich gehört es zu den Top 3. Oder vielleicht doch das schönste.
      Ich weiß nicht, was Sie von einem Bob Dylan Konzert erwarten.
      War das ihr erstes – und Ihre Erwartungen stecken noch in den 60er Jahren mit Klampfe und Mundharmonika? Bob Dylan ist aber mit den Jahren zum größten leuchtenden Stern an diesem zum großen Teil doch recht matten Sternenhimmel der Musik geworden. Es war ein phantastisches Konzert!!!

  • <cite class="fn">Marc</cite>

    „Die Zeiten der großen Überraschungen bei Bob Dylan-Konzerten sind vorbei.“
    Bei welchem Konzert waren Sie? Hier eine Liste der Veränderungen gegenüber Hamburg 2017:
    • Things Have Changed (komplett neu arrangiert)
    • Bob Dylan trägt keinen Hut
    • Bob Dylan spielt keine Mundharmonika
    • Bob Dylan singt über eine komplett neue Mikrofon-Anordung
    usw…
    Bitte in Zukunft genauer Beobachten. Es zählen auch die kleinen Pinselstriche in einem großen Gemälde. Sie müssen feinfühliger beobachten. Grad bei Dylan. LG

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