Ein Sieg der Vernunft
von Gérard Otremba
3:29:45 Stunden bei meiner sechsten Marathonteilnahme. Zugegebenermaßen ist meine Erwartungshaltung seit meinem Marathondebüt im Jahr 2005 eine andere geworden. Über die Stationen Frankfurt (2005), Berlin (2007), Hamburg (2009), Berlin (2010) und wiederum Hamburg im letzten Jahr, hatte ich meine Bestzeit sukzessive auf 3:10:10 Stunden gesteigert und jeden Marathonlauf mit einem neuen persönlichen Rekord abgeschlossen. Während meiner halbjährigen Vorbereitungsphase war auch für den Hamburg-Marathon 2014 eine erneute Steigerung das erklärte Ziel. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Eine längerfristige und hartnäckige Achillessehnen-Wadenreizung sowie eine unliebsame Erkältung zwei Wochen vor dem Start zwangen mich zu diversen Trainingsabbrüchen und einer Laufpause von fast drei Wochen. Sogar mein Start war zwischenzeitlich mehr als gefährdet, plagte mich zehn Tage zuvor noch ein vermaledeiter Reizhusten. Mit vier kleineren Laufeinheiten in der letzten Woche brachte ich meinen Körper zumindest einigermaßen in Schwung, die Verletzung immer noch ein unkalkulierbares Risiko. Unter diesen suboptimalen Voraussetzungen war an irgendeine Bestzeit natürlich längst nicht mehr zu denken, vielmehr hieß die Devise für den diesjährigen Marathon: Gesund im Ziel ankommen.
Bei recht frischen Temperaturen von knapp unter 10 Grad herrschte eine halbe Stunde vor dem Start an den Hamburger Messehallen unter dem Fernsehturm eine lockere Atmosphäre beim Foto-Shooting der Teilnehmer des Hamburger Sportclubs. Nach dem kurzen Warmlaufen ging es dann um 9 Uhr endlich auf die 42,195 Kilometer lange Strecke durch Hamburg. Gerne werben Veranstalter mit dem Attribut „flache Strecke“, dies ist in Hamburg nicht anders, verglichen jedoch mit den Marathons in Berlin und Frankfurt, muss man in Hamburg für einen City-Marathon von einem durchaus welligen, anspruchsvollen und selektiven Kurs sprechen. Bereits Richtung Königsstraße geht es leicht bergauf, wesentlich schwierigere ansteigende Passagen folgen an der Hafenstraße zu den Ladungsbrücken, an der Maria-Louisen-Straße bei KM 22, an der Fuhlsbüttler Straße sowie kurz vor Schluss zwischen Harvestehuder Weg und Mittelweg. Ich begann die ersten Kilometer mit einem lockeren und vorsichtigen Dauerlauf-Tempo von 4:50 die Minute, ein Schnitt, den ich fast bis zur Halbzeit halten konnte. Aufgrund dieses wohldosierten und meiner Form entsprechenden Tempos war es mir vergönnt, die großartige Stimmung am Rand der Stracke wesentlich intensiver wahrzunehmen. Die Begeisterung an den publikumswirksamen Stellen wie Reeperbahn, Altonaer Rathaus, Landungsbrücken, Jungfernstieg, Alte Wöhr, Ohlsdorf und Eppendorfer Baum war überschwänglich und enthusiastisch, ein Fest für alle Läufer. Laut Hamburger Abendblatt feuerten circa 800 000 Menschen die Marathonis entlang der Strecke an. Wir sind zu Dank verpflichtet.
Wie bei bisher allen meinen Marathonläufen üblich, war der zweite Streckenabschnitt der langsamere, die Diskrepanz fiel mit vier Minuten jedoch nicht allzu hoch aus. Trotz idealer Wetterbedingungen, bewölkt, Temperatur nun knapp über 10 Grad, rang ich am Eppendorfer Baum bei Kilometer 37 schon schwer mit meinen mich verlassenden Kräften, die letzten drei Kilometer war nun noch quälendes Joggingtempo möglich, der das Ziel ankündigende rote Teppich meine letzte Rettung, gefühlt kroch ich die letzten Meter auf allen vieren, raffte mich noch zu einem kurzen Winken ins Publikum auf und erreichte völlig erschöpft, aber zufrieden und glücklich das Ziel. Fazit: Die Verletzung ist nicht aufgebrochen, ich habe das Beste aus der Situation herausgeholt und beim nächsten Marathon wird die Bestzeit wieder angegriffen. Sofern die Gesundheit mitspielt.
Herzlichen Glückwunsch zum Marathonergebnis! Durchgehalten trotz Achillessehne (und da weiß ich was von, ganz, ganz ekelig und ganz hartnäckig) und Erkältung und ein tolles Ergebnis erzielt: Das ist doch der wahre Sieg!
Viele Grüße und viel Spaß beim Erholen, Claudia
Vielen, lieben Dank, Claudia.