Jehnny Beth: To Love Is To Live

Jehnny Beth by Andreas Neumann

Savages-Sängerin Jehnny Beth setzt auch mit ihrem Solo-Debütalbum „To Love Is To Live“ ein selbstbewusstes Statement

Als 2012 die ersten Singles und EPs der Savages veröffentlicht wurden, konnte man bereits Großes erwarten – die beiden LPs des Londoner Post-Punk-Quartetts (2013 sowie 2016) bliesen anschließend alles weg, was Jungs in dem Genre sonst so von sich geben. Aggressiv, selbstbewusst und feministisch nahmen die Ladies um die französisch-stämmige Jehnny Beth ihren Platz auf den Lieblingslisten der Kritiker ein, gefolgt von kurzen wie heftigen Live-Sows. Offiziell aufgelöst haben sich die Savages nicht – alle vier sind jedoch gegenwärtig mit anderen Arbeiten beschäftigt (Bassistin Ayse Hassan eröffnete als Esya zum Beispiel noch im Februar die Shows von Algiers). Das ist nicht so schade wie man denken mag, alle (mehr oder weniger) Solo-Werke besitzen große Klasse; so auch „To Love Is To Live“, der erste Longplayer unter dem Namen der Sängerin, Gitarristin sowie Keyboarderin.

Jehnny Beth formuliert ihre Lust

Jehnny Beth To Love Is To Live Cover Caroline International

Als John & Jehn veröffentlichte sie mit ihrem Freund Johnny Hostile ebenfalls bereits zwei Alben, dieser ist auch einer der Gäste auf „To Love Is To Live“ – neben Joe Talbot (Idles), Romy Madley Croft (The XX) und dem, mehr als Schaupieler denn als Musiker bekannten Cillian Murphy („Peaky Blinders“). Auch „To Love Is To Live“ setzt ein selbstbewusstes Statement – angefangen in der Covergestaltung. Beth ist hier, ähnlich wie Sudan Archives auf ihrem letzten Album, als Statue zu sehen, nackt und kämpferisch, herausfordend. Die Standortbestimmung erfolgt mit sphärischem Sound bei „I Am“. Zarte Pianotöne wachsen sich aus zum eruptiven Klangteppich, „I am naked all the time“ singt Beth, „I am burning inside“ – eine martialische Gitarre unterstreicht das. Beth berichtet über ihre katholischen Wurzeln und formuliert ihre Lust jenseits aller Subtilität – manchmal möchte man da die Tür schließen als sexuell weniger offensiver Mensch weil hier doch etwas mehr Information geliefert wird, als man unter Umständen gerade hören mag, aber egal; Männer machen sowas ja ständig bis zur unfreiwilligen Satire und man nimmt das als Hörer achsel- oder andere Körperteile zuckend hin, also was solls.

Fordernde Lautmalerei und introvertierte Sehnsucht

Die brennende Beth nimmt sich eine erste Pause bei „The Rooms“; ein sanftes Piano, ein Cello sowie ein smoothes Saxophon illustrieren das Runterkommen nach dem aggressiven „I’m The Man“, das auch schon bei „Peaky Blinders“ in der fünften Staffel zu hören war. Produziert u.a. von Flood, Atticus Ross sowie Trentemøller präsentiert das Album eine musikalische Achterbahnfahrt zwischen Post-Punk, Industrial, Jazz, Ambient  oder Synth-Pop, das zu keiner Sekunde langweilt. Gesanglich beherrscht Beth die gesamte Klaviatur zwischen fordernder Lautmalerei und introvertierter Sehnsucht, welche in „French Countryside“ betörend zum Ausdruck kommt. „Human“ am Ende schließt den Kreis, den „I Am“ eröffnete – der Mensch Jehnny Beth hat sich offenbart und lässt einen erschlagen, aber fasziniert zurück. Gleich nochmal hören.

„To Love Is To Live“ von Jehnny Beth erscheint am 12.06.2020 bei Caroline International. (Beitragsbild von Andreas Neumann)

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