Girl and Girl: Call A Doctor

Girl and Girl credit James Caswell

Die Geschichte dieser Band ist verdammt gut (wenn man sie glauben mag), die Musik ebenfalls. Girl and Girl setzen australischen Garagenrock neu auf die Pop-Landkarte.

von Werner Herpell

Wie heißt es doch so schön: Falls diese Geschichte nicht stimmt, ist sie zumindest gut ausgedacht. Die Geschichte der australischen Band Girl and Girl, wie wir sie heute kennen, begann also damit, dass Sänger Kai James und Gitarrist Jayden Williams „nachmittags nach der Schule“ in der Garage von James‘ Mutter jammten.

Tante Liss an der Schießbude

Girl and Girl Call A Doctor Albumcover

„Eines Nachmittags kam James‘ Tante Liss nach dem Gassi-Gehen mit ihrem Hund in den Proberaum und fragte, ob sie am Schlagzeug mitspielen könne“. erzählt das Label

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Sub Pop den Hergang. „Es klang wirklich toll“, erinnert sich demnach James. „Wir flehten sie an, zu bleiben, und sie sagte: Ich bleibe, bis ihr einen anderen Schlagzeuger findet. Wir zermürbten sie, und schließlich wurde sie ein festes Mitglied.“

Ein bisschen schräg ist dieses „Tante Liss an der Schießbude“-Ding ja schon, aber es scheint, hört man dann die Musik von Girl and Girl, perfekt zu diesem Garagenrock-Quartett zu passen (Nummer vier im Band-Bunde ist übrigens Bassist Fraser Bell). Die elf Songs des Debütalbums „Call A Doctor“ sind einerseits von wilder Unbekümmertheit, die sich im zeitweise herrlich zeternd-erratischen Gesang äußert, aber auch von bemerkenswerter Frische und melodischer Rafinesse.

Zwischen Bright Eyes, Byrne und B-52s

Während hier und da der junge Conor Oberst mit seinen Bright Eyes als Vergleich genannt wird, können noch ältere Hörer auch Ähnlichkeiten mit David Byrne und den Talking Heads in ihrer Vor-Afrofunk-Frühphase, mit The Go-Betweens oder den anarchischen B-52s der späten 70er nachweisen. Die Down-Under-Bands des legendären Labels Flying Nun und der jangly Indie-Folkrock von The Shins (etwa in „Comfortable Friends“) haben ebenfalls Spuren bei Girl and Girl hinterlassen.

„Call A Doctor“ beginnt mit einem vor Ironie triefenden Spoken-Word-„Intro“ und endet mit einem „Outro“ – offensichtlich geht es dieser ambitionierten Band um einen erzählerischen Spannungsbogen. Auf dem Weg dazwischen liegen diverse Indiepop-Perlen, mit dem als Single (und tollem Video) vorab ausgekoppelten „Hello“ als Highlight.

Girl and Girl mit Energie und Humor

Aufgenommen wurde die Platte „at Sundowner Sound in Melbourne, a two-story industrial complex where the band ate, slept, and made music in marathon sessions for two weeks straight with producer Burke Reid (Courtney BarnettJulia Jacklin)“. „Diese Situation trug mit zur Intensität des Albums bei“, sagt Kai James. „Auntie Liss“ schlug sich dabei übrigens mehr als wacker, sie pumpt ganz ordentlich Trommler-Energie in den ohnehin kräftig treibenden Sound.

Das Album dreht sich zwar auch um mentale Probleme („This record is about an individual who’s too far in their head, trying to get out“, sagt der Sänger und Songwriter). Aber der Humor kommt nicht zu kurz, „an undeniable brightness to the darkness. Feeling down never sounded so goddamn good.“ Da kann man Sub Pop nur Recht geben, das bei der Veröffentlichung von Girl and Girl wieder mal seinen Riecher für Punkpop- und Garagenrock-Trüffel bewiesen hat.

Das Album „Call A Doctor“ von Girl and Girl erscheint am 24.05.2024 bei Sub Pop. (Beitragsbild von James Caswell)

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