Der Schweizer Musiker Faber ist mehr als nur ein Provokateur, nämlich auch ein ziemlich guter Songwriter
Der Aufschrei war groß. Die erste Version seines Vorabtracks „Das Boot ist voll“, die mit der „Schwanz-Zeile“, polarisierte sofort und erregte die Gemüter. Der Schweizer Songwriter Faber änderte daraufhin den Text, weil er nicht wollte, dass eben nur diese besagte Zeile des Songs beim Hörer hängen bliebe. Einerseits verständlich, anderseits liebt Faber die Provokation in der Kunst. Was durch eine aufgrund von Social-Media-Influencer auf Political Correctness getrimmten Gesellschaft einfach und schwierig zugleich ist.
Faber und die „Besorgten Bürger“
Die düster-dramatische Anklage gegen die „Besorgten Bürger“ in „Das Boot ist voll“ funktioniert natürlich auch ohne die drastischen Worte sehr gut, denn eine Zeile wie „Wenn Menschlichkeit und Verstand deiner Wut weicht / Besorgter Bürger ich besorgst dir auch gleich“ hat genug Aussagekraft. Faber zeigt auf seinem, nach „Ein Faber im Wind“ zweiten Album „I Fucking Love My Life“ Haltung und Kante, schlüpft in Rollenprosa und entpuppt sich nicht nur als politischer Provokateur, sondern auch als genauer und kluger Beobachter unserer Zeit. Vor dem Faber ist niemand sicher, besonders nicht die „Generation YouPorn“, die im gleichnamigen Song die volle Breitseite abbekommt („Und mit dem Auto ins Fitnessstudio, um da Rad zu fahren / Mit dem Auto im Bioladen kaufst du regional“). Faber macht nicht mal vor sich selbst Halt und zeigt selbstironische Züge in der sonst bitterbösen Schwulen-Sex-Affären-Abrechnung „Vivaldi“.
Zwischen Schwermut und Feierlaune
Ja, Faber trifft den Nerv der Zeit, hält der gleichgültigen und oberflächlichen Generation YouPorn auch in „Top“ den Spiegel vor das Gesicht („Ich steh für gar nichts und für gar nichts steh ich ein“) und erwehrt sich der Altvorderen in „Jung und dumm“ (mit der herrlichen Zeile „Ich würde gerne Immobilienhaie fischen aus dem Zürichsee mit dir“). Bei fast allen Songs wird Faber voller Inbrunst von der der Goran Koč y Vocalist Orkestar Band (Posaune & Percussion: Tillmann Ostendarp, Bass & Cello: Janos Mijnssen, Gitarre, Percussion & Saxophon: Max Kämmerling, Piano: Silvan Koch) begleitet, die zwischen Schwermut und Feierlaune changiert. Zwischenzeitlich gibt er aber den eingefleischten Singer-Songwriter und erinnert in „Ihr habt meinen Segen“ an Leonard Cohen. Großartig auch die schwankende Ballade „Komm her“, die am Ende mit einem zwischen Sanft- und Schrägheit pendelnden Saxophon-Solo aufwartet. Manche mögen ihn auf seine provokanten Texte reduzieren, aber Faber ist halt auch ein ziemlich guter Liedermacher und das beweist er mit seinem neuen Album.
„I Fucking Love My Life“ von Faber erscheint am 01.11.2019 bei Vertigo / Universal Music (Beitragsbild von Stefan Braunbarth).