Lusitanian Ghosts: III – Albumreview

Lusitanian Ghosts by Katja Ruge

Musik vom äußersten Südwest-Rand Europas, aufgenommen in Hamburg: Die Lusitanian Ghosts setzen Portugal auf die Folkrock-Landkarte.

von Werner Herpell

So schön Portugal auch ist und so großartig seine Musiktradition mit dem wunderbar traurigen Fado – als Geburtsstätte für Rockmusik ist das Land am äußersten südwestlichen Rand Europas bisher eher nicht hervorgetreten (den zu Recht populären ESC-Sieger Salvador Sobral ordnen wir mal bei Pop und Jazz ein). Jetzt kommt jedoch eine Folkrock-Band aus der zu Römer-Zeiten „Lusitania“ genannten iberischen Region daher, die diese Leerstelle füllen will, und siehe da, sogar schon mit ihrem dritten Album – die Lusitanian Ghosts. 

Bratschen als „lusitanische Geister“

Lusitanian Ghosts III Albumcover

Das kurz und knapp „III“ benannte Werk wurde vor einem Jahr in den Clouds Hill Studios in Hamburg aufgenommen

___STEADY_PAYWALL___

(einer Stadt, die günstigerweise viele portugiesische Restaurants zu bieten hat). Es lebt von einem international sehr gut anschlussfähigen Folk- und Poprock-Sound unter Verwendung traditioneller Saiteninstrumente, der sogenannten Chordophonen: Amarantina, Braguesa, Campanica, Terceira und Beiora werden auch als „lusitanische Geister“ bezeichnet, was die sechs Musiker zu ihrem Bandnamen inspirierte.

Alles schön und gut und exotisch – aber taugen die Lieder auch was? Ja, denn die Lusitanian Ghosts haben songwriterisch und produktionstechnisch einiges drauf. Zwar heben die Melodien der elf Lieder von „III“ die Folkrock-Welt nun nicht aus den Angeln. Aber die Bratschen- und Percussion-Sounds von Mikael Lundin (Viola Amarantina), Abel Beja (Viola Terceira), Antonio Bexiga (Viola Campanica), Janne Olsson (Viola Beirao) und Joao Sousa (Adufe) liefern reichlich Abwechslung und Hinhör-Potenzial. Ja, die Lusitanian Ghosts musizieren tatsächlich auf hohem Niveau praktisch ohne Gitarren.

Lusitanian Ghosts mit kanadischem Sänger

Ein weiterer Trumpf dieser portugiesischen Band: Sie kann mit dem Kanadier Neil Leyton einen (natürlich im perfekten Englisch singenden) erfahrenen Frontmann vorweisen, dessen tolle Stimme oft verblüffend an James Dean Bradfield von den Manic Street Preachers erinnert (etwa in „The Long Train“, „September“ oder „Pure Evil“), aber auch mal in Richtung Hardrock-Shouting ausbricht („Black Wine White Coffee“).

Textlich scheut das Sextett nicht vor Kommentaren zur tristen Gegenwart zurück – etwa mit einem Aufruf zur Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg oder einem Lied, das an die portugiesische „Nelkenrevolution“ vor 50 Jahren erinnert. Somit ist das Lusitanian-Ghosts-Album Nummer „III“ eine sehr ernsthafte, durchweg hörenswerte Angelegenheit – ein Werk, das einer starken Rockband aus einem wenig Rock-affinen europäischen Land über dessen Grenzen hinaus Meriten einbringen sollte.

Das Album „III“ von den Lusitanian Ghosts erscheint am 09.02.2024 bei European Phonographic/Broken Silence. (Beitragsbild von Katja Ruge)

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Kommentar schreiben