Komplexität trifft Leichtigkeit: Vijay Iyer und sein neues Trio legen den heiß erwarteten Nachfolger von „Uneasy“ vor
von Sebastian Meißner
Vor drei Jahren veröffentlichte Pianist Vijay Iyer das Album „Uneasy“. Es war die erste gemeinsame Arbeit mit Bassistin Linda May Han Oh und Schlagzeuger Tyshawn Sorey. Und es war ein wunderbares Album, das sowohl bei Kritik wie beim Publikum hervorragend ankam. Entsprechend groß sind Vorfreude und Erwartungshaltung an den Nachfolger „Compassion“.
Vijay Iyer übererfüllt die Erwartungen
Das Wichtigste vorweg: „Compassion“ hält alle Versprechen. Mehr noch: Es übererfüllt die Erwartungen. Die Gründe dafür sind vor allem die hohe emotionale Dichte, die hervorragenden Kompositionen und die Schärfe und Plastizität im Zusammenspiel. Unter den zwölf Stücken sind drei Cover: Stevie Wonders “Overjoyed”, ein Tribut an den verstorbenen Chick Corea, sowie “Nonaah” von Roscoe Mitchell, einem seiner großen Mentoren und Stubblefields „Free Spirits / Drummer’s Song“, im Original von 1980. Die restlichen Stücke stammen allesamt aus der Feder von Vijay Iyer, der auf diesem Album spürbar mehr Raum miteinkomponiert hat.
Die Stücke wirken so auffällig gelassen und stringent, was nicht heißt, dass sie nicht den gewohnten komplexen Anspruch an Melodie und Rhythmik erfüllen, für die Iyer steht. Ein weiteres Geheimnis dieser Musik ist die hohe Solo-Qualität von Bassistin Oh, mit der sie zum melodischen Counterpart von Iyer wird. „Tempest“ und „Maelstrom“ sind dafür hervorragende Beispiele. Auch „It goes“ zeigt die dynamische Verwebung von Rhythmus- und Melodieimpulsen des Trios.
Ein Reifezeugnis
Mit diesem Mix aus hoher Komplexität bei gleichzeitiger Leichtigkeit unterscheidet sich dieses Trio deutlich von anderen Piano-Trios. „Compassion“ ist ein Reifezeugnis einer Formation, von der hoffentlich noch viel zu hören sein wird. „Ich bin unendlich inspiriert von Tyshawn und Linda“, sagt Iyer über seine Mitstreiter:innen. Man kann es hören.
„Compassion“ von Vijay Iyer erscheint am 02.02.2024 bei ECM Records. (Beitragsbild-Credit: Ogata)