King Creosote: I DES

King Creosote Credit Calum Gordon

Wer nicht glaubt, dass eine Mixtur aus Celtic Folk, Ambient, Prog- und Krautrock funktionieren kann, sollte das neue King-Creosote-Album hören. Perfektes Kopfkino von Schottlands Ostküste.

von Werner Herpell

Hach, ist das schon wieder lang her (fast drei Monate…), dass dieser Review-Schreiber seine ewige Schottland-Sehnsucht stillen durfte. Ob mystische Hebriden-Inseln oder die whiskyselige Isle of Skye, ob wild-romantische Highlands oder die wunderschöne Ostküste: Der hohe Norden Großbritanniens birgt so unfassbar viel Zauber – ganz abgesehen von seinen so eigenwilligen wie freundlichen Bewohnern. Zum Glück gibt es jetzt wieder Musik, die die Wartezeit bis zur nächsten Schottland-Tour verkürzt. Sie stammt von Kenny Anderson alias King Creosote.

Ein verästeltes königliches Werk

King Creosote I DES Cover Domino Records

Die wievielte Veröffentlichung des Eigenbrötlers aus

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der Ostküstenregion Fife (nahe Dundee und Aberdeen) sein neues Werk „I DES“ nun genau ist, lässt sich nicht mehr zuverlässig ermitteln. Zu verästelt und verschroben ist der Output des 56-Jährigen seit den 90ern auf EPs, CDs, CD-R, Vinylalben und Cassetten verteilt. „Über 100 Platten“ habe Anderson inzwischen herausgebracht, behauptet sein Label Domino – davon wohl Dutzende unter dem königlichen Künstlernamen. 

„I DES“ ist nun keines der ganz absonderlichen, sondern eines der zugänglicheren, kompakteren Alben des Schotten – auch wenn es am Ende mit dem (großartigen) 13-Minuten-Track „Please Come Back I Will Listen, I Will Behave, I Will Toe The Line“ und erst recht mit dem 36 (!) Minuten dauernden, sphärischen Closer „Drone in #B“ ausufert. Davor hat King Creosote acht „normale“ Songs platziert, die – bis auf das schräge Uptempo-Stück „Susie Mullen“ – allesamt zu einer herrlich kontemplativen akustischen Schottland-Reise einladen. 

Keine Dudelsack-Klischees

Dass Anderson dabei jegliche Dudelsack- und Fiddle-Klischees vermeidet, sondern des öfteren seine Affinität zu elektronischen Sounds zeigt, versteht sich fast von selbst. Schließlich war er 2011 für sein Kollabo-Album „Diamond Mine“ mit dem Studio-Magier Jon Hopkins für diverse Musikpreise nominiert – und gilt auch ansonsten als furchtloser Stilgrenzen-Überschreiter.

Als „DIY-Pop-Reisender, Restaurator eines alten Seehauses, Quetschkommoden-Liebhaber, Fife-Einwohner fürs Leben, Diamantenschürfer, Herzensbrecher“ (so die Domino-Beschreibung) ist King Creosote demnach Exzentriker genug, um seine Mixtur aus traditioneller Celtic-Folk-Musik, Indiepop, Prog- und Krautrock sowie modernen Ambient-Klangbildern mit „I DES“ zu einem neuen Höhepunkt zu führen. Vibraphon, Akkordeon, Streicher, Drums, Bass und Gitarre stehen hier gleichberechtigt neben Synths, Loops, Samplern und Weinglas-Drones.

Perfektes Kopfkino von King Creosote

Die sehnsüchtigen, feierlichen Lead-Vocals des „Teeröl-Königs“ (nichts Anderes heißt King Creosote) und zart-hymnische weibliche Chorstimmen sorgen für eine – bei aller Experimentierlust – erhabene Atmosphäre. Das größtenteils zwischen 2016 und 2020 geschriebene „I DES“ ist Kopfkino in Perfektion – faszinierender lassen sich die weiter oben genannten schottischen Landschaften derzeit im eigenen Oberstübchen kaum zum Leben erwecken.

Das Album „I DES“ von King Creosote erscheint am 03.11.2023 bei Domino. (Beitragsbild von Calum Gordon)

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