Graham Nash: Now – Albumreview

Graham Nash Now Cover BMG Rights

Seit 60 Jahren ist Graham Nash als Musiker berühmt. Mit „Now“ blickt er in 13 schönen Liedern auf Vergangenheit, Gegenwart – und Zukunft. Denn in den Ruhestand will er noch lange nicht.

von Werner Herpell

Das stets empfehlenswerte Online-Magazin „Allmusic“ schrieb bereits 2016, zum x-ten Solo-Comeback von Graham Nash mit dem Album „This Path Tonight“: „Nash is no longer looking at the past; he’s looking at the future and he’s embracing all the changes to come.“ Dass der zweifach in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommene Singer-Songwriter auch im hohen Alter nicht nur in die Vergangenheit blickt, sondern auf die Zukunft, und zwar mit großer Vorfreude angesichts der

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noch kommenden Veränderungen – dies stimmt sieben Jahre später mit der neuen Studioplatte „Now“ umso mehr.

Die Liebe, das Leben, die Politik

Graham Nash Now Cover BMG Rights

Es geht – wie so oft in Nashs Solo-Output jenseits der Sixties-Britpop-Gruppe Hollies, des Duos mit David Crosby, des Trios Crosby Stills & Nash oder des legendären Quartetts CSN&Y inklusive Neil Young – um die Liebe, das Leben an sich und die große Politik. Schon die ersten vier „Now“-Tracks umkreisen diese typischen Themen des linksliberalen Idealisten. Und sie tun es so harmonieselig wie von ihm gewohnt, in Liedern, die Folk, Pop, Softrock und Country auf Feinste verbinden.   

In „Right Now“ schildert der 81-jährige gebürtige Brite und Wahl-Amerikaner, wie die Liebe unerwartet nochmal in sein Leben trat – seit einigen Jahren ist Nash in dritter Ehe neu verheiratet: „I used to think that I would never love again/I used to think I’d be all on my own/I really thought that it was coming to an end/And just the thought of it chilled me to the bone/But not now“, singt Nash im Opener. Es ist sehr berührend – gerade auch weil die einst so perfekte, volle Stimme nun etwas dünner und fragiler klingt. 

In „A Better Life“ zelebriert er Zuversicht, Hoffnung und Aufbruchstimmung, die sein Leben leiteten und immer noch leiten. In „Golden Idol“ (gegen den Trump-Irrsinn) und „Stars And Stripes“ bekommt sein in unheilvoller Spaltung vor sich hin taumelndes Heimatland den Spiegel vorgehalten: „Just tell me the truth/Stop lying and stop trying/To create division between people all over the world/Just tell me the truth/The stars and stripes are waving/But they’re waving goodbye to the truth.“

Graham Nash erinnert an Neil Young und Buddy Holly

Natürlich wird es auch mal sentimental und nostalgisch, etwa in „Feels Like Home“ oder „Follow Your Heart“ – hier seufzt die Pedal-Steel-Gitarre, die Musik könnte von einem Neil-Young-Album der frühen bis mittleren 70er-Jahre stammen. Oder in „Buddy’s Back“, einer Hommage an Nashs frühes Vorbild Buddy Holly. Hier singt sogar Allan Clarke mit, sein Schulfreund und Hollies-Mitbegründer. Für das Streicher-Intro „Theme From Pastorale“ und die anschließende Ballade „In A Dream“ griff Nash einen Song von Alan Price (The Animals) auf. Das Streicher-Quintett ist später auf dem herrlichen „I Watched It All Go Down“ noch einmal zu hören.

Nash präsentiert sich auch mit „Now“, ungeachtet der erwähnten politischen Warnungen und ernsten Appelle, als unerschütterlicher Optimist – „weil mein Leben ja wirklich ein Traum ist“, wie er im Rückblick sagt. Und weiter: „Seit ich 18 bin, konnte ich immer ziemlich genau das durchziehen, was ich mit meinem Leben anfangen wollte – was ein unfassbares Glück ist und wofür ich unendlich dankbar bin. Ich wache morgens auf, lebe dieses Leben weiter, checke die Nachrichtenlage in der ganzen Welt, melde mich bei meinen Freunden – und dann schreibe ich über die Dinge, über die ich nun mal schreiben muss.“

Nashs „persönlichste Platte“

Nach dieser „Methode Nash“ ist dem alten Herrn schon mit dem Vorgänger „This Path Tonight“ und nun erst recht mit „Now“ ein feines Spätwerk gelungen. Dies sind keine Platten, die wirklich überraschen und so das Bild des Künstlers nochmal auf den Kopf stellen, wie im Fall von Johnny Cash oder David Bowie. Eher willkommene Ergänzungen. Und für den wunderbaren Singer-Songwiter Graham Nash „die persönlichste Platte, die ich je gemacht habe“.

60 Jahre nach seinen ersten Hits mit den Hollies und gut 50 Jahre nach seinem Solo-Debüt „Songs For Beginners“ – das er kürzlich für „Graham Nash: Live“ (2022) erneut würdigte – sind Nashs Sensibilität und gesellschaftliches Engagement kaum hoch genug einzuschätzen. Sein nobles Lebensmotto formuliert der Woodstock-Veteran heute noch so: „Dass die Liebe besser ist als Hass, dass Frieden besser ist als Krieg, dass wir uns für unsere Mitmenschen einsetzen müssen, weil wir nun mal nur uns haben auf diesem Planeten – all diese Dinge, für die wir schon damals eingestanden haben, die sind noch immer absolut wahr.“

Konzerte von Graham Nash im September

Bei Konzerten in München (Circus Krone, 06.09.2023), Berlin (Admiralspalast, 08.09.2023) und Hamburg (Elbphilharmonie, 09.09.2023) bringt Nash diese schöne Lebensphilosophie im Spätsommer dann auch mal wieder live auf deutsche Bühnen. An Ruhestand denkt er also nicht: „Das wäre gar nicht möglich“, sagte Nash dem Magazin „Stereo“ (Juni 2023). „Als Songwriter ist es meine Aufgabe und Passion, Songs zu schreiben. Ich kann weder auf einen Knopf drücken, um damit Ideen zu erzwingen, noch kann ich sie irgendwie abstellen.“

„Now“ von Graham Nash erscheint am 19.05.2023 bei BMG. (Beitragsbild: Albumcover)

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