Überwältigender Art-Folk-Rock von den Fleet Foxes
„Anstrengende Musik“, hört man einen Besucher zu seiner weiblichen Begleitung nach dem Konzert der Fleet Foxes im Hamburger Docks am 12.11.2017 sagen. Mitunter stimmt diese Aussage sogar und doch ist diese „anstrengende Musik“ überwiegend überwältigend. Dessen wird man sich erst richtig bewußt, wenn das Sextett um Sänger und Gitarrist Robin Pecknold eine Art Best-Of-Programm aus den drei bisher veröffentlichten Alben, dem selbstbetitelten Debüt von 2008, „Helplessness Blues“ aus dem Jahre 2011 sowie dem aktuellen, im Juni dieses Jahres erschienenen Crack-Up live zu Gehör bringt.
Die Band ist mit ihren Aufgaben gewachsen, die naturalistischen, von Harmonie beseelten Folk-Rock-Miniaturen der Anfangszeit sind mehr oder weniger komplexen, suiteartigen und kunstvollen Arrangements gewichen. Die ersten drei eben jener anspruchsvollen Songs – es sind auch die ersten drei Songs des neuen Albums – bilden den Auftakt des insgesamt 105 Minuten dauernden Auftritts der Fleet Foxes im ausverkauften Docks auf St. Pauli. Die Band aus Seattle spielt von Beginn an hochkonzentriert, der Sound ist teilweise schon fast zu fett für die detailreichen und melodieverliebten Strukturen dieser Wunderband. Mit „Grown Ocean“, „Battery Kinzie“, Ragged Wood“ und „Your Protector“ folgen gleich vier dieser phantastischen, gar himmlischen und liebreizenden Folk-Rock-Hymnen, die einen auf die Knie sinken lassen und die man nicht oft genug hören kann.
In „The Cascades“ ist das filigrane Gitarrenspiel von Skyler Skjelset überragend, sogar eine Querflöte kommt zur Geltung. Während „Mearsctapa“ und „On Another Ocean (January / June)“ wieder volle Konzentration fordern, steht bei den anschließenden sechs Songs die puristische Seite der Fleet Foxes im Mittelpunkt. „Fool’s Errand“, „He Doesn’t Know Why“, „Blue Ridge Mountains“, „Mykonos“ und „White Winter Hymnal“ – unterbrochen von Robin Pecknolds berührender Solo-Einlage von „Tiger Mountain Peasant Song“ – sind Speerspitzen des unnachahmlichen Baroque-Harmonic-Pop der Fleet Foxes. Herzerweichende Satzgesänge, Melancholie und Euphorie umarmen sich innig, der schwelgerischste und glücklichmachendste Teil des Fleet Foxes-Konzertes in Hamburg.
Zum Ende hin changiert die Band zwischen Drama, Bombast, Apokalypse, Schrägheit und mystisch-sakraler Eleganz („Third of May / Ōdaigahara“, „The Shrine / An Argument“, „Crack-Up“). Ein durchaus anstrengender Teil, wenn man so möchte, der in den Zugaben, zwei umjubelte Solo-Darbietungen Pecknolds („Montezuma“, „Oliver James“) und ein beseelten „Helplessness Blues“, wieder vom Art- in den stilreinen Folk-Rock überführt wird. Doch ob Art-Folk oder Folk-Rock der alten Schule in neuer Fasson, die Fleet Foxes beherrschen die ganze Spannweite. Das Konzert im Hamburger Docks hat es bewiesen.
Gute Rezi. Ein kleiner Hinweis zu den Konzertbedingungen: Einlass 20.00 Uhr mit einer Schlange bis zur Davidswache. Das Docks ist mit überfüllt nur knapp richtig beschrieben. Eine Luft zum Sterben, Schweißgerüche vom Nebenmann direkt in der Nase, ohne Chance auf Entrinnen. Konzertquatscher in voller Mssion und weit nach 22.00 Uhr beginnt das Konzert in halb guten lauten Sound. Fazit: Ich bin zu alt oder um mit Nick Hornby zu sprechen: „man darf immer rausgehen“;-)