Die Top-Ten-Liste der Bücher des Jahres 2015
von Gérard Otremba (auch Beitragsfoto)
Nachdem die Liste der Bücher des Jahres 2014 vor Jahresfrist zu einer alphabetischen Ansammlung mutierte, muss nun eine qualitative Reihenfolge her, das gibt die Rubrik Top-Ten schließlich vor. Und natürlich bleibt es nicht bei zehn Büchern, eine Zugabe in Form der Platzierungen 11-20 schließt sich an. Häufig entscheiden nur Nuancen über die einzelnen Plätze, ein hohes literarischen und unterhaltendes Niveau hatten alle ausgewählten Bücher, sonst stünden sie nicht in dieser Liste. Und alle anderen gelesenen, aber hier nicht auftauchenden Bücher bereicherten mein Lesejahr nicht minder. Selbstverständlich werden hier nur die von mir gelesenen und besprochenen Bücher berücksichtigt, weshalb mögliche Kandidaten wie Clemens J. Setz, Richard Ford, Frank Witzel oder Ulrich Peltzer keinen Einlass gefunden haben. Was schlicht und ergreifend am Lese-Zeitmangel lag. Nun aber viel Spaß mit den Büchern des Jahres 2015 (zu den Besprechungen geht es mit einem Klick auf die jeweilige Titelzeile):
Bereits Anfang Januar erschienen und schon damals als Buch des Jahres gepriesen, ist es dabei geblieben. Neben Abbitte und Saturday ist Kindeswohl der beste Roman des 67-jährigen Briten. Für mich schon länger ein Kandidat für den Literaturnobelpreis, ist Kindeswohl ein neuer Beweis der Könnerschaft Ian McEwans.
Die Entdeckung des Jahres. Ein brillanter Roman der damals 18-jährigen Pamela Moore aus dem Jahre 1956, nach langen vergriffenen Jahren, endlich wieder aufgelegt. Ein perfekter Adoleszenzroman in der Gewichtsklasse von Der Fänger im Roggen und Die Reifeprüfung.
3. Vea Kaiser: Makarionissi oder Die Insel der Seligen
Weil mich dieser Roman zum Lachen und zum Weinen brachte wie kein anderer in diesem Jahr. Ein herzergreifender wie tragischer Familienroman, getragen von Vea Kaisers Fabulierlust.
Jonathan Franzen gehört zu den wichtigsten zeitgenössischen amerikanischen Autoren und nach Korrekturen und Freiheit gelingt ihm mit Unschuld der nächste opulente, am Puls der Zeit klopfende Gesellschaftsromans.
Weil die stilvolle Eleganz der Sprache eindeutig für Andreas Maier spricht.
6. Leonardo Padura: Die Palme und der Stern
Ähnlich eindrucksvoll wie in Ketzer verwebt der kubanische Autor Vergangenheit und Gegenwart, den Freiheitsgedanken in Mittelpunkt stellend.
7. Rolf Lappert: Über den Winter
Ein bewegender, analoger und wärmender Familienroman, von Rolf Lappert eindrucksvoll erzählt.
8. Dorothy Baker: Zwei Schwestern
Eine ähnlich nachdrückliche Wiederentdeckung wie Cocktails von Pamela Moore. 1962 erschienen, besticht der Roman durch seinen ästhetischen Sprachstil und seinen Konventionen brechenden Plot.
9. Matthias Nawrat: Die vielen Tode unseres Opas Jurek
Ein ausgesprochen humorvoller und hintersinniger Schelmenroman über den oberschlesischen Ort Opole vom Krieg bis zur Wendezeit.
10. Richard Yates: Cold Spring Harbor
Ein Meister der realistischen Prosa und Chronist der Desillusionierung des American Dreams.
Die Zugaben, von mir genauso gerne gelesen, wie die Top-Ten-Titel:
11. Kenneth Bonert: Der Löwensucher
Ein beeindruckender Debütroman.
12. Thees Uhlmann: Sophia, der Tod und ich
Ein neues Kultbuch!
Noch ein neues Kultbuch!
Wie beim Deutschen Buchpreis: Auch bei Sounds & Books auf der Longlist.
15. Ralf Rothmann: Im Frühling sterben
Kein Kultbuch, aber wichtig, obwohl Rothmann den Deutschen Buchpreis im Vorfeld ablehnte.
Ein begnadeter Erzähler.
17. Jürgen Bauer: Was wir fürchten
Der Überraschungsroman des Jahres.
Weil T.C. Boyle ’ne coole Socke ist.
19. Marina Keegan: Das Gegenteil von Einsamkeit
Weil Marina Keegan viel zu jung gestorben ist und dieses Buch ihr Talent zusammenfasst.
20. Wolfgang Schorlau: Die schützende Hand
Der bislang brisanteste Schorlau-Krimi.
Und die Besprechungen weiterer lesenswerter Bücher gibt es hier.
Ach, Ian McEwan, den habe ich in meinem Jahresrückblick völlig übersehen. Völlig zu Unrecht, aber wahrscheinlich passiert, weil das Lesen schon so lange her ist. Aber ich schließe mich Dir an: Ein wirklich großartiger Roman, der ein moralisches/rechtliches Dilemma zum Thema hat.
Viele Grüße, Claudia
Ja, den Ian McEwan-Roman hatte ich bereits 2014 gelesen, aber erschienen ist er im Januar. Aber schön, dass wir beide gleicher Meinung sind. Viele Grüße, Gérard
Eine interessante Liste. Außer Boyle hab ich selber noch nix davon gelesen, mindestens bei Padura muss ich aus alter Verbundenheit mal irgendwann reinschmökern. Deine Richard-Yates-Besprechung neulich hat mich auch neugierig gemacht.
Viele Grüße + einen schönen Sonntag,
Gerhard
Vielen Dank! Ja, viele sehr lesenswerte Bücher dabei. Schöne Grüße aus Hamburg, Gérard
Auf der Liste stehen Bücher, die ich noch lesen will. Wie Lapperts neuer Roman oder „Zwei Schwestern“. Von Franzen war ich enttäuscht, ich bin mittendrin ausgestiegen. Dabei hatte ich mich sehr darauf gefreut. Ich wünsche Dir ein spannendes Lesejahr 2016. Viele Grüße
Vielen Dank! Dir ebenso. Schöne Grüße, Gérard