Wolfgang Schorlau: Die schützende Hand – Kriminalroman

Der achte und brisanteste Fall um den Stuttgarter Privatermittler Georg Dengler

von Gérard Otremba

Wolfgang Schorlau fasst in seinen Kriminalromanen immer ein heißes Eisen an. Sein in Stuttgart ansässiger Privatdetektiv und ehemaliger Zielfahnder des Bundeskriminalamtes (BKA) Georg Dengler tauchte in die RAF-Vergangenheit ab (Die blaue Liste), rollte das Attentat auf das Oktoberfest von 1980 neu auf (Das München-Komplott) und legte sich mit der Pharma- („Die letzte Flucht) und Fleischindustrie (Am zwölften Tag) an. In Die schützende Hand, Georg Denglers nunmehr achtem Fall, beschäftigt sich Wolfgang Schorlau mit dem aufgrund des Beate Zschäpe-Prozesses immer noch aktuellen NSU-Skandals.

Georg Dengler werden 15 000 Euro anonym zugeschickt. Viel Geld für den notorisch pleiten und verschuldeten Privatermittler. Der Auftrag lautet: Wer erschoss Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt? Was zunächst nach leicht verdientem Geld aussieht, schließlich haben sich die beiden Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds, wie alle denken, selbst erschossen, entpuppt sich nach und nach als eine spannende Suche nach der Wahrheit und der Aufdeckung eines Staatsverbrechens. Dengler und seine Freundin Olga wühlen sich durch Ermittlungsakten und stoßen bald auf viele Ungereimtheiten, Vertuschungen und Manipulationen, die bis in die höchsten Stellen deutscher Sicherheitsdienste reichen und den angeblichen Selbstmord der NSU-Attentäter, die für diverse Morde an Mitbürgern anderer Herkunft in Deutschland verantwortlich zeichnen, als eine Inszenierung entlarven.

Wie üblich greift Georg Dengler während seiner Ermittlungen auf Olgas Hilfe zurück, deren unorthodoxe Vorgehensweise für die humoresken Passagen des sonst bitterernsten Thrillers zuständig sind. Schorlaus Kriminalromane mäandern schon immer gekonnt zwischen Verschwörungstheorie und Realität, aber Die schützende Hand ist ein perfekter Doku-Krimi, bei dem es schwer fällt, die Ruhe zu bewahren. Dieses Problem hat auch Georg Dengler, der, nach der Entlarvung eines staatlich geförderten Rechtsextremismus, kurz davor steht, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen. Seine Robin Hood-artige Mentalität, die Welt verbessern zu wollen und der Wahrheit zu dienen, stößt im Geflecht von Verfassungsschutz, Rechtsextremismus, Regierung und ausländischen Mächten an ihre Grenzen. „Idiot. Du glaubst immer noch, die Wahrheit würde irgendjemanden interessieren“, bekommt er von Harry Nopper, seinem ehemaligen BKA-Gegenspieler, der jetzt als Vize-Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes seine Fäden spinnt, vorgehalten.

Für einen Rechtsstaat ist das Interesse an der Wahrheit eine durchaus hilfreiche Voraussetzung, nach dem Lesen dieser Lektüre kommen einem, genauso wie Georg Dengler, Zweifel an der Rechtschaffenheit unseres vermeintlich souveränen Staates. In keinem seiner bisherigen Romane hat Wolfgang Schorlau seinen Recherchearbeiten so offen dargelegt. Dokumente von Untersuchungsausschüssen sowie journalistische Texte betten sich lebhaft in den Plot ein, ein ausführlicher Anhang erklärt und stützt aufgestellte Theorien. Der politische Krimi-Autor Wolfgang Schorlau hat mit dem achten Dengler-Roman den bislang wichtigsten und brisantesten Fall dieser lesenswerten Reihe geschrieben.

Wolfgang Schorlau: „Die schützende Hand“, Kiepenheuer & Witsch, Klappenbroschur, 978-3-462-04666-3, 14,99 €.

Kommentare

  • <cite class="fn">Ulrike zuda</cite>

    Es ist begeisternd und beunruhigend was Wolfgang Schorlau uns zumutet. Ich lese zur Zeit Tag und Nacht. Ein mutiger und realistischer Autor, der zu allem Überfluss ausserordentlich spannend schreibt. DANKE

  • <cite class="fn">gerhard</cite>

    Wolfgang Schorlau ist am 30.11. im Rahmen des Münchner Literaturfests beim „B2-Diwan“ zu Gast, da wird das Buch vermutlich auch Thema sein.

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