Harmoniebedürftiger Konsens-Pop des Hamburger Damen-Duos BOY beim Heimspiel am 01.12.2015 im Mehr! Theater
Text und Fotos von Gérard Otremba
Das Konzert im Mehr! Theater ist der Abschluss der Herbsttournee von BOY. Bereits zum dritten Mal beehrt das Damen-Duo, live durch ein Männer-Quartett aus Keyboarder, Gitarrist, Schlagzeuger und Perkussionist erweitert, die heimatliche Hansestadt. Nach dem Gig im Mojo-Club im September und dem sehr schnell ausverkauften Auftritt in der Großen Freiheit vor einer Woche, nun das Zusatzkonzert im Mehr! Theater.
Vor genau zehn Jahren lernten sich die Züricher Sängerin Valeska Steiner, die ihre Herkunft während ihrer Ansagen nicht verleugnen kann und immer wieder in diesen so niedlichen Schweizer Akzent verfällt, und die Hamburger Musikerin Sonja Glass beim Popkurs in der Elbestadt kennen. Ihr Debütalbum Mutual Friends von 2011 schaffte gleich den Sprung in die Top-Ten in Deutschland und der Schweiz, der im August dieses Jahres veröffentlichte Nachfolger We Were Here kletterte bis auf Platz 3 der Album-Charts des jeweiligen Landes.
Mit dem Titelsong der neuen Platte eröffnen BOY das Konzert, eingehüllt in dunkle Farben, gefolgt von der orhwurmträchtigen und überaus tanzbaren Uptempo-Nummer „Fear“. Irgendein Eis zwischen Band und Publikum zu brechen ist sicherlich nicht nötig, der Groove von „Fear“ hat aber auf jeden Fall dieses Potential. Valeska Steiner und Sonja Glass machen fluffigen, harmoniebedürftigen Pop, auf den sich sehr viele Menschen einigen können, und wer ein BOY-Konzert besucht, kann sich auf einen gemütlichen Abend mit melodieverliebten Songs einstellen. Enttäuschte Erwartungen kann es bei BOY kaum geben.
Steiner und Glass sind charmant, reizend, apart und spielen diese Komponenten nonchalant aus. Ach, es ist alles so schön entzückend und harmoniebetont bei einem BOY-Konzert, da können auch ein „böser“ Song wie „Boris“ oder ganz gelegentliche Rockismen nicht darüber hinwegtäuschen. Der perlende Gitarren-Pop von „Army“ zum Beispiel, die Publikums-Chorprobe für „Hit My Heart“, der ziemlich perfekte Indie-Midtempo-Pop beim exzellenten „Drive Darling“, der an Blondie erinnernde Disco-Pop von „Oh Boy“, das eigentlich von Hamburg handelnde „New York“, die Euphorie im allseits bekannten „Little Numbers“, bei dem die Gäste von ganz allein mitsingen, oder der etwas lautere Dream-Pop in „No Sleep For The Dreamer“.
Nach einer Stunde ist der Zauber dann vorbei, BOY spielen noch drei Zugaben, das hübsche, an ein Lullaby mahnende „Into The Wild“, das vergleichsweise fast im Bombast endende „This Is The Beginning“ und die sanfte akustische Version von „Skin“. In der Zwischenzeit hat es in Hamburg zu regnen begonnen. Passt irgendwie so gar nicht zu dem soeben gehörten, wärmenden und glücklich machenden Pop von BOY. Gut, eine gewisse Melancholie ist einigen BOY-Songs sicherlich nicht abzusprechen, aber die funktioniert auch ohne Regen.