Sharon Van Etten & The Attachment Theory

Sharon Van Etten & The Attachment Credit Devin Oktar Yalkin

Nach dem Grammy-Erfolg von St. Vincent könnte demnächst mal Sharon Van Etten dran sein. Ihr neues Album mit Band bringt dafür so einiges mit.

von Werner Herpell

Gerade erst hat Annie Clark alias St. Vincent bei den Grammys ordentlich abgeräumt. Mit ihrem jüngsten Album „All Born Screaming“ erhielt sie die – seien wir mal ehrlich – de facto wichtigste Auszeichnung, nämlich für das beste Alternative-Music-Album. Verdientermaßen, darf man wohl sagen, obwohl uns bei Sounds & Books auch andere Kandidaten eingefallen wären (ich sage nur: Vampire Weekend). Aber so ist das halt, und St. Vincent war irgendwie auch mal dran.

„Wähl mich, Grammy-Jury!!!“

Warum ich das hier, zu einer Review von Sharon Van Ettens neuer Platte, erzähle? Weil dieses Album, eingespielt mit und benannt nach ihrer neuen Band The Attachment Theory, der 44-jährigen Singer-Songwriterin aus New Jersey ähnliche Grammy-Türen öffnen könnte. Ja, eigentlich steht über diesen zehn starken Indie-Rock-Tracks „Wähl mich, Grammy-Jury!!!“ ganz groß drüber. Ob das alles ein bisschen zu offensichtlich nach Mainstream-Erfolg heischt, etwas zu poliert und kalkuliert daherkommt, darüber kann man geteilter Meinung sein – aber ja, die Platte ist schon richtig gut. Und mit ihrem düsteren Rock-Sound inklusive Eighties-Elementen (höre nur ich hier gelegentlich Gary „Cars“ Numan und David Bowie heraus, etwa in „Live Forever“ oder „Southern Life“?) dem St. Vincent-Meisterstück gar nicht mal so unähnlich.

Viele Synthies, aber bekömmlich

Sharon Van Etten & The Attachment Theory Albumcover

Dass Sharon Van Etten schon lange nicht mehr die schüchterne Indie-Folk-Sängerin ihrer frühen, bereits superben Alben „Epic“ (2010) und „Tramp“ (2012) ist, das wusste man schon. Mit dem tollen „Are We There?“ (2014) erweiterte sie ihr stilistisches Spektrum, um dann auf „Remind Me Tomorrow“ (2019) und „We’ve Been Going About This All Wrong“ (2022) etwas zu scharf Richtung Electro-Pop abzubiegen. Kraftvolle Synthies sind zwar nun auch auf „Sharon Van Etten & The Attachment Theory“ durchaus präsent, aber insgesamt ist dieses Album mit seinem hörbar von einer Band eingespielten Klangbild deutlich bekömmlicher als die beiden Vorgänger.

Van Etten ließ für die neuen Lieder los „von ihrem bisherigen Arbeitsmodus, von der Notwendigkeit, Kontrolle auszuüben oder das Ergebnis zu beeinflussen“, heißt es vom Label Jagjaguwar. Dies habe begonnen „mit einer Einladung an ihre Band, Teil des kreativen Prozesses zu werden“. Wie das eben so ist in einer echten Band-Beziehung (interessanterweise wo gerade wieder diskutiert wird, ob das Prinzip Rock-Band nicht eigentlich tot ist angesichts der ganzen Solo-Künstler auf der Grammy-Bühne). „Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich die Band gefragt, ob wir einfach mal jammen könnten“, sagt Sharon Van Etten selbst. „Worte, die ich noch nie gesagt habe – nie! Doch ich liebte all die Sounds, die wir kreierten, und war neugierig: Was würde passieren?“

Sharon Van Etten brilliert als Sängerin

Mit Keyboarderin Teeny Lieberson, Bassistin Devra Hoff und Drummer Jorge Balbi hatte die Sängerin reichlich Kreativpotenzial zur Verfügung, um lässig und virtuos zwischen Retro-Modus und futuristischen Ideen hin und her zu springen. Über allem thront natürlich ihre großartige Stimme, die eine ähnlich hypnotische Wirkung hat wie die Vocals besagter Annie Clark. Auf den beiden gut sechsminütigen Abschlusstracks „Fading Beauty“ und „I Want You Here“ legt Sharon Van Etten gar die vielleicht besten Gesangs-Performances ihrer gesamten Karriere hin. Könnte also was werden mit den Grammys in einem Jahr.

Das selbstbetitelte Album von Sharon Van Etten & The Attachment Theory erscheint am 07.02.2025 bei Jagjaguwar. (Beitragsbild von Devin Oktar Yalkin)

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