Royel Otis: Pratts & Pain – Albumreview

Das Aussie-Duo Royel Otis ruft mit seinem Debütalbum sonnig-trunkenen Indie-Punk-Pop und den europäischen Frühling herbei

von Ben Kaufmann

Pastiche. Irreal, sentimental. Eine Jugend, die wir nie erlebt haben; und uns doch definiert. James Spader ist in der Stadt und spricht erneut für die Rolle des Steff McKee vor. In unserem Zimmer steht ein Fenster offen; Polaroids einer verflossenen Liebe flattern durch den Raum. Poster von Robert Smith und den Alessi Brothers zieren die Wände. Im gegenüberliegenden Haus arrangiert ein gealterter Lou Reed den letzten Velvet Underground-Song. Eine warme Brise weht vom Meer über die Straße. Von der Sonne ausgeblichene Plakate verweisen auf längst vergangene Konzerte. Wer werden wir sein? Der Ruf eines dämmrigen Mittagsschlafs treibt uns zum Strand: den Wellen lauschen und einfach nur vergessen. Leidenschaftlich schreiend wachen wir auf und erkennen: der Schmerz sitzt tief und hält uns gleichzeitig am Leben. Wild und ungebrochen entkommen wir der Finsternis und wissen noch gar nicht so richtig warum.

Royel Otis: „We wanna sound like The Cure […] but we don’t think we do.“

Bereits bei den ersten Klängen dieses Debütalbums

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fühlt man sich an andere rezente Indie- und Neo-Psychedelia-Bands mit melancholisch angehauchten 80’s Vibes – wie MGMT, The Drums, Broncho, Tame Impala oder Phoenix – erinnert. Steigt man tiefer ein, lassen sich neben diesen Haltungen auch gewisse Details ausmachen, die ebenjenen Zeitgenossen größtenteils abgehen – womöglich herkunftsbedingt. Laid-back-Spielweisen, demo-affine Spontaneität und ein zwischen den Zeilen immer wieder aufkommender Easy Living-Mood scheinen zutiefst im heimischen Lifestyle des Duos verwurzelt zu sein: dem der australischen Ostküste.

Auch wenn man tatsächlich einige klangliche Verbindungen zu The Cure herzustellen vermag; der extravagante Sound von Royel Maddell und Otis Pavlovic entsteht womöglich exakt an der Schnittstelle zwischen einem vermeintlich gescheiterten Hinterhereifern und einer dadurch erst freigelegten eigenen Klangsprache. Die ‚Fehlschläge‘ führen hier nicht zur Resignation, sondern werden mit spielerischer Süffisanz, bewusster Reduktion und einigen Punk-Anleihen in eine kreative Dynamik umgewandelt.

„When you go back to basics and do it dry, there’s an energy and a magic there.”

“Fried Rice“ kommt wie ein heißgelaufener Dark-Wave-Song daher; als seien die grauen Katzen aus den Höhlen aufgestiegen und von der Sonne surreal verformt worden. Mit der Orientierung weg von Synthesizern hin zu gitarrenlastigeren Tracks haben Royel und Otis ihrer Musik seit der zweiten EP allmählich neue Konturen gegeben. Die beiden belieben es demnach formell immer wieder zu überraschen; wie etwa bei dem kneipen-bluesigen “Big Ciggie“ oder bei “Velvet“ mit einem energetisch preschenden Sound, der – getreu dem Songtitel – auch aus Warhols Factory stammen könnte. „She says: I’m suffering, I’m suffering …“ Monoton nach vorne treibende Klaviereinsätze unterstreichen hierbei die verzweifelte Inbrunst der Vocals.

Doch womöglich ist kein Song dieses Albums so sehr mit der Eastern-Aussie-Leichtlebigkeit verbunden wie “Sofa King“. Ein Funkrhythmus trifft auf flirrende Gitarren und sphärischen Ambientsound im Refrain, während Otis‘ lässig gedoppelte Stimme einen Herzensmensch besingt: „you’re so fucking gorgeous“.

Royel Otis: „If you back each other, something good comes from it.“

Otis ist das Gesicht der Band, während Royel seines auf Fotos oder bei den bislang seltenen Interviews gerne hinter zotteligen Grunge-Haaren oder einem Handtuch versteckt. Paradoxerweise scheint jedoch gerade letzterer viele Aspekte durch seine murmelnden Einwürfe in ebenso kauzig-authentischer wie sympathischer Weise auf den Punkt zu bringen. Diese sich gegenseitig ergänzende und nicht immer ganz ernst nehmende Energie ist es, die Royel Otis neben weiteren Dingen zu einem besonderen Duo macht.

Dass die beiden mit James Ford (Arctic Monkeys) und Dan Carey (Fontaine’s D.C.) bereits bei ihrem Debütalbum zwei namhafte Produzenten im Boot haben, indiziert ein Streben nach höheren Sphären. Wie bei so vielen anderen Indie-Bands kann man auch hier nur hoffen, dass sich Royel Otis ihre Unbekümmertheit und ihr Gespür für das Ungeschliffene möglichst lange bewahren (können).

Pratts & Pain“ von Royel Otis erscheint am 16.02.2024 bei Ourness. (Beitragsbild: Alex Wall)

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