Phoenix: Alpha Zulu – Albumreview

Phoenix credit Shervin Lainez

Dekorative Kunst: Phoenix sind wieder da

Phoenix, Frankreichs elegantester Pop-Export, versteht es seit dem Debüt „United“ aus dem Jahr 2000, Musik zu machen, die dynamisch, üppig, glanzvoll und vielseitig ist. Ihr synthetisch aufgepeppter Indie-Pop mit Faible für Exzentrik enthusiasmierte von Anfang an die Tanzflächen – seit ihrer Gründung im Jahr 1996.

Und bis heute hat sich das nicht grundlegend verändert. Die vier Herren aus Versailles sind zwar grauer geworden, doch haben sie sich ihren genuinen, präzisen Sinn für Stil bewahrt. Das kann man ihren Videos betrachten, ja bestaunen: Selbst wenn sie nur in ein Pariser Kiosk schlurfen, um ein Baguette zu kaufen, sehen sie herrlich nachlässig und gleichzeitig elegant aus. Diese Nachlässigkeit der Eleganz, diese Coolness, diese Sprezzatura, um den Begriff des italienischen Renaissance-Schriftstellers Baldassare Castiglione zu verwenden, diese Art, alles ganz leicht und mühelos erscheinen zu lassen – dafür steht kaum eine andere Band so sehr wie Phoenix.

Phoenix-Fan Sofia Coppola

Phoenix Alpha Zulu Cover Glassnote Records

Thomas Mars, Christian Mazzalai, Laurent Brancowitz und Deck D’Arcy haben mit Alben wie „Alphabetical“ oder auch „Wolfgang Amadeus Phoenix“, mit Songs wie „Lisztomania“ Pop-Geschichte geschrieben, haben einen ureigenen Phoenix-Sound kreiert, an dem sie bis zu ihrem letzten Album „Ti Amo“ aus dem Jahr 2017 immer weiter gefeilt haben. Dieser Sound war in „Lost in Translation“ zu hören – Sofia Coppola ist großer Phoenix-Fan und zudem die Partnerin von Sänger Thomas Mars.

Das siebte Studioalbum „Alpha Zulu“ ist nun ein weiterer Ohren-Schmeichler aus Versailles: Die Italo-Disco-Elemente aus „Ti Amo“ haben sie weitgehend getilgt. Stattdessen knüpfen Stücke wie „Tonight (ft. Ezra Koenig)“ in ihrer dynamischen Eingängigkeit an die klassische Indie-Dance-Phase der Band an. Erstmals darf bei diesem Stück auch ein Gast singen, nämlich Ezra Koenig von Vampire Weekend.

Phoenix und der europäische Traum

Produziert wurde das Album im Pariser Musée des Arts Décoratifs im Palais du Louvre, was natürlich wunderbar zu Phoenix passt, denn war ihr Sound nicht schon immer auch: dekorative Kunst? Zehn Stücke sind zu hören, darunter auch der Titeltrack, wohl der Hit der Platte. Das Video unterstreicht nochmal die große Kunst-Affinität der Band, bei dem die Figuren aus klassischen Gemälden der Kunstgeschichte zu Leben erweckt werden und den Song mitsingen, der schließlich in einem herrlichen E-Gitarren-Durcheinander endet.

Stets ist es die Geschichte Frankreichs, die Geschichte Europas, die bei Phoenix zum Thema gemacht wird. Laurent Brancowitz: „Unser Ziel war es immer Europa so zu verinnerlichen, wie es Kraftwerk tat: Sie waren die ersten, die nicht über die Vereinigten Staaten, den amerikanischen Traum, sprachen, sondern über den europäischen Traum.“

Großes französisches Pop-Kino

Schon zwei Jahre alt ist der Song „Identical“, der in Coppolas Film „On The Rocks“ zu hören war. Auch er reiht sich prächtig ein in ein Album, das vor Schönheit nur so strotzt. „The Only One“, das düster-wavige „All Eyes On Me“ oder die kleine, süßlich-verträumte Preziose „My Elixir“ sind weitere Beispiele für die große dekorative, catchy Kunst von Phoenix. „Alpha Zulu“ ist ein wunderbares Elektro-Indie-Pop Album, das mit dem Stück „Winter Solstice“ noch einmal die besondere Fähigkeit der Band unter Beweis stellt, Songs zu schreiben die gleichzeitig traurig und glücklich machen. Phoenix bleibt einfach ganz großes französisches Sprezzatura-Pop-Kino.

„Alpha Zulu“ von Phoenix erscheint am 04.11.2022 bei Glassnote Records / Rough Trade. (Beitragsbild von

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