Jonathan Wilson: Eat The Worm

Jonathan Wilson Credit Andrea Nakhla

„Aus allen Komfortzonen ausbrechen“ wollte Westcoast-Rock-Maestro Jonathan Wilson mit seinem neuen Album. Ist ihm der riskante Weg ins Freie geglückt?

von Werner Herpell

Man muss es sich schon erarbeiten, das neue Album von Jonathan Wilson – so süffig wie seine vorherigen Westcoast-Pop- oder Folkrock-Werke klingt „Eat The Worm“ nicht. Eher wie eine Kopfgeburt von Brian Wilson und Van Dyke Parke, von Jazz-Rock-Freigeistern wie Frank Zappa – oder durchaus auch von Roger Waters, dessen Studio- und Live-Band Wilson seit längerem leitet.

Auf neuen, mutigen Wegen 

Jonathan Wilson Eat The Worm Cover BMG

Mit anderen Worten: Der Singer-Songwriter, Multiinstrumentalist und gefragte Produzent

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(unter anderem für Conor Oberst, Father John Misty, Angel Olsen, Dawes und Roy Harper) hat nach seinem noblen Solo-Debüt „Gentle Spirit“ (2011) und anderen akustischen Wärmespendern für das aktuelle Werk eine „grandios verästelte Americana-Reise“ (so der „Rolling Stone“) zurückgelegt.

Manches darf dann auch mal skizzenhafter und fragmentarischer klingen, als man es vom Sound-Perfektionisten und Opulenz-Fan Wilson gewohnt ist. Auf psychedelisch angeschrägte Ideen (etwa ein unerwartetes Break im ansonsten sehr harmonischen Pianopop-Opener „Marzipan“ ) und mutige kleine Noise-Attacken folgen Ausflüge in Bossa Nova („Wim Hof“) oder fantastischen, folk-grundierten Saxofon-Jazz („Charlie Parker“) oder die moderne US-Klassik eines Aaron Copland („East LA“).

Freiheiten eines Hippies

Nein, berechenbar ist hier nichts. Streicher schweben durch den Raum, um schnell wieder zu verschwinden („Lo And Behold“), und immer mal wieder kommt der langhaarige Hippie in Jonathan Wilson zum Vorschein, der sich hier ohne Rücksicht auf gewohnte Bequemlichkeiten viele Freiheiten herausnimmt.

Als Josh Tillman alias Father John Misty nach seiner Albumproduktion abends Wilsons Studio in Kalifornien verlassen hatte, setzte sich der Unermüdliche noch ein wenig ans Klavier, berichtet sein Label. „Die Mikrofone waren ja schon bereit. Und so entstand die erste Skizze von „Marzipan“, dem Eröffnungssong von „Eat The Worm“ …“ Ein Schlüssel-Track des neuen Albums, weil nicht nur musikalisch ungeheuer einfallsreich, sondern zudem autobiografisch: Der 48-Jährige erzählt vom Leben seit seinen frühen Zwanzigern in Brooklyn und wie er seine Liebe zu Folk, Country und Jazz entdeckte. 

Jonathan Wilsons „Anything goes“-Prinzip

Mit dem „Anything goes“-Prinzip der Platte hat Wilson nun all diese Stilelemente zu einer nicht immer leichtverdaulichen, in jedem Fall aber reizvollen Mixtur verquirlt. „Es klingt zwar absolut verrückt, schließlich mache ich das hier schon seit über 20 Jahren – aber es war das erste Mal, dass ich wirklich das Gefühl hatte, absolut mein Ding gefunden zu haben. Vollkommener Wahnsinn, dass es so lange gedauert hat“, sagt der Musiker. „Ich habe endlich das Gefühl, einen Weg gefunden zu haben, um die Dinge so auszudrücken, wie sie mir vorschweben.“ 

Für „Eat The Worm“ habe er „aus allen und jeglichen Komfortzonen ausbrechen“ wollen, so Wilson. Den Großteil der neuen Songs nahm er im Alleingang auf und kümmerte sich auch selbst um die Produktion. Zu den wenigen Gästen zählen Studio- und Kreativpartner wie Drew Erickson (Keyboards/Streicherarrangements) und Jake Blanton (E-Bass). Ein vorzügliches, teilweise wunderbar kompromissloses Americana-Album – reife Leistung!

Das Album „Eat The Worm“ von Jonathan Wilson erscheint am 08.09.2023 bei BMG. (Beitragsbild von Andrea Nakhla) 

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