Grimson live in Berlin 2023

Grimson live Berlin 2023 Kulturbrauerei by Werner Herpell Sounds & Books

Mit seinem tollen Debütalbum präsentiert sich der Wahl-Berliner Grimson als großes Singer-Songwriter-Talent in Beatles-Nähe. Auch live überzeugt der junge Musiker. 

von Werner Herpell

Aiden Berglund alias Grimson ist „ein bisschen nervös“, als er an diesem Abend des 16.11.2023 die Bühne der „Panda Platforma“ auf dem Berliner Kulturbrauerei-Areal betritt. Direkt vor ihm hat die Singer-Songwriterin Lio J dort mit feinem Piano-Pop und fabelhafter Stimme vor einem begeisterten Publikum ordentlich abgeliefert und die Messlatte hoch gelegt, nebenan im Kesselhaus spielt etwa zeitgleich die italienische Postpunk-Band Leatherette um die Gunst des Publikums – hier und jetzt ist es also an dem jungen schwedisch-amerikanischen Musiker, mit einer kleinen, konzentrierten Auswahl seiner wunderbaren Barock-, Folk- und Psychedelic-Pop-Songs seinerseits Live-Euphorie zu erzeugen.

Hochmelodisch und verspielt

Und Grimson, eine der spannendsten Entdeckungen dieses Musikjahres und bei „Sounds & Books“ bereits ausführlich per Interview vorgestellt, hält dem

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Druck stand. Die Zuhörer sind am Ende des Auftritts, den Berglund mit einem Duo an Geige und Cello bestreitet, so verzaubert wie man es nur sein kann, wenn man ein Faible für hochmelodischen, verspielten Songwriter-Pop zwischen Elliott Smith, Harry Nilsson und The Beatles hat. Wieder ein Schritt getan zu einer sicheren Existenz als Profi-Musiker, die Grimson für seine nähere Zukunft in Berlin anstrebt. „Mein Ziel ist es, vielleicht ein Plattenlabel zu finden und einen Vertrieb, denn derzeit mache ich das ja alles independent“, sagte der 26-jährige Sänger und Gitarrist im Gespräch mit S&B. „Ich nehme meine Musik sehr ernst, ich will, dass sie gehört wird, ich will sie auf die Bühne bringen.“

Grimson auf der MW:M

Der Anlass für das Berliner Nachwuchskünstler-Zusammentreffen (und Grimsons hoffentlich karrierefördernden Gig): die dreitägige Messe „Most Wanted: Music“ (MW:M), nach eigener Definition „Berlin’s festival on the future of the music biz“. Viele Musikexperten und Talentscouts flanieren auf dem Gelände der Kulturbrauerei und bekommen am Donnerstagabend eine bunte Mischung an Kurzkonzerten geboten – stilistisch ist „MW:M“ total offen, wichtig sind allein Talent und Ausstrahlung. Und davon hat Grimson reichlich zu bieten. Mit klarer, flexibler Stimme und akustischer Gitarre bringt er die eigentlich überwiegend opulenten Lieder seines im Herbst erschienenen Debütalbums „Climbing Up The Chimney“ auf die Bühne, die beiden Streicher polstern seinen edlen Sophisticated-Pop noch etwas aus.

Grimson lässt sein Publikum singen

Mit der zart psychedelischen Akustikballade „Set Gently“, die auch auf einem Soloalbum von Paul McCartney nicht unangenehm auffallen würde, holt sich Grimson seinen ersten großen Beifall ab. Bei „Will He Ride My Bike“, in dem auf Bandcamp erhältlichen Original ein recht muskulöser Sixties-Pop-Song, legt der junge Musiker spürbar seine Nervosität ab. Der prächtige Pop-Walzer „Round Trip Ticket“ erinnert auch in der Bühnen-Version an die tollen Soundtracks von Jon Brion („Magnolia“, „Punch Drunk Love“). „I Hate Myself Now“ und „Chimney Sweeper“ bezeugen ebenso klar Berglunds Talent, am Ende singt das Publikum mit.

Wie geht es nun weiter mit Grimson, der für sein Debütalbum nach eigener Auskunft lediglich ältere Songs aufgenommen hat und nun bereits an einem Nachfolger arbeitet? Das tolle „Deliberate“ ist so ein bisher unveröffentlichter Track, der einen Ausblick auf die Zukunft des Wahl-Berliners ermöglicht. Das neue Material umfasse „die besten Songs, die ich bisher geschrieben habe“, sagte Grimson selbstbewusst im S&B-Interview. „Sie haben noch viel mit den älteren Liedern gemeinsam, sind aber stilistisch reifer, die Emotionen sind direkter. Die Texte und die Rhythmen sind weniger als wenn man durch einen Wald spaziert – eher als wenn man eine Allee runterrennt.“ Da kommt also wohl noch viel Gutes auf uns zu – wir sind gespannt.

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