Zwei Stunden für die Glückseligkeit: Element Of Crime verzücken das Hamburger Publikum beim ersten von zwei ausverkauften Konzerten in der Laeiszhalle
von Gérard Otremba
Es ist mucksmäuschenstill, als die letzten Klänge von Richard Pappiks Mundharmonika zu „Vier Stunden vor Elbe 1“ verklingen, bevor ein tosender Applaus des nun doch stehenden Hamburger Publikums aufbrandet. Wir befinden uns im zweiten und letzten Zugabenset des Element-Of-Crime-Konzerts in der Laeiszhalle. Es folgt der Gassenhauer „Delmenhorst“, der Song über die Stadt, die laut Sven Regener von einigen auch als „Florenz des Nordens“ bezeichnet wird. Wie dem auch sei, zu diesem Zeitpunkt sind alle Fans von der Darbietung der Elements schon längst total verzaubert. Und sie stehen und feiern Element Of Crime ausgelassen. Das funktionierte in den zwei Stunden zuvor im Sitzen auch schon gar prächtig.
Die schönste nur vorstellbare Melancholie
Ein Sitzplatzkonzert bei Element Of Crime. Nicht zum ersten Mal in Hamburg – während Corona gab es pandemiebedingt ein solches bereits 2020 (Sounds & Books berichtete) und natürlich 2018 in der Elbphilharmonie – auf der Tour zum aktuellen Album sind es bewusst ausgewählte Sitzplatzlocations und das passt ja alles auch zur Musik von Element Of Crime. Man muss da nicht ständig Getränke holen, auch mal still sitzen und zuhören ist viel angesagter, wenn Sänger, Trompeter und Gitarrist Sven Regener seine lakonischen Texte vorträgt und Gitarrist Jako Ilja, Schlagzeuger Richard Pappik, Bassist Mark Runzheimer, Rainer Theobald an Saxophon und Klarinette sowie Ekki Busch am Akkordeon die schönste nur vorstellbare Melancholie aus ihren Instrumenten erklingen lassen. Chansoneske Romantik mit gelegentlichen Rock’n’Roll-Ausflügen, immer wieder großartig. Auch am 05.09.2023, beim ersten von zwei ausverkauften Konzerten in der Hamburger Laeiszhalle. Andererseits lud das spätsommerlich warme Wetter zu einem Konzert im Stadtpark ein. Vielleicht nächstes Jahr wieder.
Gänsehautmomente bei Element Of Crime
Aber auch trotz der warmen Temperaturen (okay die Laeiszhalle ist angenehm klimatisiert) sind die Gänsehautmomente bei EOC-Konzerten unvermeidlich, diesmal schon sehr früh bei „Am ersten Sonntag nach dem Weltuntergang“ und bei „Dann kommst du wieder“. Zwischendurch das Schunkeln nicht vergessen, bei „Immer noch Liebe in mir“ und „Was mein ist, ist auch dein“. Beides, in Melancholie schwelgen und sanft schunkeln konnte man bereits beim Support-Gig des wie immer sympathisch auftretenden Züricher Duos Steiner & Madlaina, das am 15.11., dann mit ihrer Band im Rücken, im Hamburger Knust spielen wird. Dass die Herren von Element Of Crime bei den Tourneen zu den aktuellen Alben fast alle jeweils neuen Songs spielen, ist bekannt. Diesmal vom Opener „Unscharf mit Katze“ bis zum Titeltrack „Morgens um vier“, für das Rainer Theobald sein wohl anmutigstes Saxophonsolo für EOC eingespielt hat und das einem während des Konzerts zu einem noch wehmütigeren Herz verhilft.
„Immer nur geliebt“ und „Jung und schön“
Spannend bei neuen Element-Of-Crime-Tourneen ist die Auswahl der nicht ganz so häufig gespielten Songs. 2023 vertreten durch das wunderbare „Immer nur geliebt“ aus dem für das Theaterstück „Peter Pan“ von Leander Haußmann komponierte und 2000 auf der EP „Irgendwo im Nirgendwo“ verewigt. In dem so herrliche Wörter wie „Schnittchenschmierer“, „Tierfilmgucker“ und „Sitzenpinkler“ vorkommen. Und durch das treibende „Jung und schön“ vom „Psycho“-Album, das durch Theobalds schräge Saxophonklänge ein furioses Finale erlebt (beide Songs befinden sich selbstverständlich in meiner Liste der Top-100-Songs von Element Of Crime).
Die Element-Of-Crime-Klassiker
Es ist einfach alles wieder da, die vielen textlichen Bezüge zum Norden, zur See, musikalisch unterstrichen durch Ekki Buschs Akkordeon, die Wehmut und die Sehnsucht, die Romantik (auch ohne „Romantik“-Rufe Regeners) und die Klassiker „Und du wartest“ (vom Schriftsteller Frank Schulz in dessen Roman „Morbus Fonticuli oder Die Sehnsucht des Laien“ mit einer Fußote bedacht, wie Regener in der Ankündigung ganz stolz erzählt), „Weißes Papier“, „Draußen hinterm Fenster“ und „Geh doch hin“. Und Regeners Erinnerung an die Laeishalle, wo er vor 40 Jahren zuletzt ein Konzert von Jaon Armatrading sah, er damals im Karoviertel wohnte und nur zweimal im Jahr die Sonne in sein Zimmer schien. Die Mythen des Hamburger Wetters, so entstehen sie. Mythen über die Musik von Element Of Crime sind indes nicht nötig. Zwei Stunden für die Glückseligkeit. Immer, und immer wieder. Jedes Mal aufs Neue.
(Beitragsbild: Sven Regener, Element Of Crime, Archiv, live beim Rolling Stone Beach Festival 2021, von Gérard Otremba)
Hallo Gerald, toll geschrieben! Du hast gestern neben uns gesessen. Ich kann das alles nur unterschreiben! Liebe Grüße von Beate und Axel
Vielen Dank. Freut mich sehr. Liebe Grüße, Gérard