Sven Regener und Richard Pappik von Element Of Crime im Interview

Element Of Crime credit Charlotte Goltermann

Alle vier Jahre – Pi mal Daumen – erscheint ein frisches Album von Element Of Crime. Zum neuen Werk ein Interview mit Sven Regener und Richard Pappik.

Es ist mal wieder soweit, und das ist eine gute Nachricht für alle Fans schöner, schwelgerischer, gern auch mal etwas rumpeliger deutschsprachiger Rockmusik: Element Of Crime melden sich mit einer neuen Platte zurück. „Morgens um vier“ erscheint kurz vor Ostern (Review folgt zum VÖ-Termin 06.04.2023) und fasst in einer knappen Dreiviertelstunde alles zusammen, was man an dieser Band so liebt: Walzer-Pop, Folk, Chanson und dazu Sven Regeners norddeutsch schnoddrige, dem Alltag und dem (Liebes-)Leben abgerungene Schnurren und Weisheiten. Sounds & Books hat mit dem Sänger und Texter (62) sowie Schlagzeuger Richard Pappik (67) – endlich mal wieder vis-à-vis in Berlin – gesprochen.

Hallo Sven Regener, hallo Richard Pappik, willkommen zum Interview für ein neues Album von Element Of Crime. Und vielen Dank, dass wir hier endlich wieder vis-à-vis zusammensitzen können, um über die vielleicht schönste Konstante der deutschsprachigen Popmusik zu plaudern.

Damit gleich zur ersten Frage: Auch „Morgens um vier“ ist – beim Titel angefangen – zunächst ein klassisches Element-Of-Crime-Album: zehn Songs in der Normalversion, gut 40 Minuten Laufzeit, ein Plattencover mit vier Musikern drauf, Lieder zwischen Chanson, Folk, Singer-Songwriter und Rock. Und natürlich Svens typische Texte. Und doch kommt es mir diesmal anders vor – etwas

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ratloser, melancholischer, trauriger auch, es gibt so einige Durchhalte-Appelle. Wie seht Ihr das?

Gute Songs sind „auch immer mehrdeutig“

Sven Regener: Es liegen immer ein paar Jahre zwischen den Platten – klar, dass sich damit etwas verändert. Und es gibt ja zwei Seiten. Einerseits, wie wir als Musiker das auffassen, aber wir haben keine konkreten Vorstellungen, was das bei den Leuten bewirken soll. Wir wollen nur, dass die Leute damit was anfangen können. Und wenn dann jemand sagt, das kommt mir diesmal melancholischer vor, dann finde ich das völlig in Ordnung. Wenn man verschiedene Lieder von demselben Künstler zu verschiedenen Zeiten hört, kann das unterschiedliche Dinge auslösen. Weil alle Songs, die was taugen, auch immer mehrdeutig sind und mehrere Ebenen haben – wie ein Bild, das changiert, je nachdem von wo man es anschaut.

Richard, redet Ihr eigentlich im Detail über Svens Texte, und gibt es so ein Gefühl, das die jeweilige Entstehungszeit da reinspielt?

Richard Pappik: Da spiegelt sich sicherlich etwas, die Texte haben etwas mit ihrer Zeit zu tun. Aber das Schöne an Songtexten ist, finde ich, dass sie so offen sind, dass jeder seine eigenen Bilder entwickeln kann. In Gesprächen ist es dann manchmal erstaunlich, wie unterschiedlich so etwas aufgenommen werden kann.

Sven Regener: Auf diese Weise wird das Songmaterial dann auch nicht alt. Wir sind ja als Band schon so lange zusammen, mit Songs, die schon 30 Jahre alt sind, und andere sind ganz neu geschrieben. Man hat aber nicht das Gefühl, dass diese Lieder aus so verschiedenen Zeiten stammen.

Gleich die erste Single „Unscharf mit Katze“ spielt an auf Zeiten, die „wilder“ werden, mit Sätzen wie: „Leute, wo soll das enden“ oder „Die Welt um uns herum geht auf und nieder“. Spiegelt das diese unruhigen Zeiten mit Corona, Krise und Krieg?

Neue Lieder aus unruhigen Zeiten

Sven Regener: Aber tun wir das nicht eigentlich immer – in unruhigen Zeiten leben? Manchmal sehen und merken wir es vielleicht nur nicht so. Die letzte Platte stammt von 2018 – und da gab es auch schon diese Ukraine-Sache, da war die Krim auch schon lange besetzt. Wir haben es als Gesellschaft bloß nicht so wahrgenommen oder wollten es nicht so wahrnehmen. Das ist keine Schande, aber auch kein Ruhmesblatt. Beispiel vom letzten Album: „Gewitter“. Da hieß es, das ist so ein dräuendes Lied, quasi prophetisch, danach ging der ganze Scheiß los. Das ist natürlich damals nicht so gemeint gewesen, aber dann auch schon – weil es eigentlich immer so ist, dass irgendwo ein Gewitter aufzieht.

Danach kommen einige melancholische Stücke rund um das Thema Liebe, wie Ihr sie schon immer auf Euren Alben drauf hattet: „Ohne Liebe geht es auch“, „Dann kommst Du wieder“, „Liebe ist nur ein Wort“, „Kaltes Herz“. Sven, woher nimmst Du immer wieder neue Beobachtungen, Ideen und Inspirationen, damit solche Songs nie in Kitsch abkippen oder man nur noch bei sich selbst abschreibt?

Sven Regener: Erstmal habe ich keine Angst vor Kitsch, und ich habe auch keine Angst, bei mir selbst abzuschreiben. Wenn man dasselbe Thema nochmal aufgreift und variiert, dann finde ich das völlig in Ordnung. Es gibt Topoi oder Objekte, die tauchen immer wieder auf, wie etwa Katzen…

Oder „Zausel“ – ein Wort, das ich sehr liebe und das diesmal wieder in einem Text auftaucht.

Sven Regener: Ja, der Zausel, woher war das nochmal? Ach ja, aus „Und Du wartest“ (vom Album „Weißes Papier“): „Ein alter Zausel betrachtet sich selbst…“ Also ganz generell finde ich, in der Rockmusik ist das die  Grundlage allen Songschreibens – was zwischen den Leuten passiert, und da ist die Liebe natürlich ganz wichtig. Worüber soll man denn sonst schreiben – übers Wetter? Also Songs und Liebe – das ist der rote Faden, der sich durch alles zieht. In der deutschen Rockmusik hat man wohl Angst davor, dem Schlager zu nahe zu kommen – eine Angst, die ich nicht teile, weil ich das gar nicht schlimm finde. Dann ist es eben Schlager, mir doch wurscht.

Richard Pappik: Sven ist bei den Texten aber eigentlich immer ziemlich stilsicher, und meine Reaktionen sind dann Verwunderung, Begeisterung, Überraschung.

Sven Regener: Ja, wir sind als Band zwar sehr unterschiedlich – aber bei diesem Song-Ding kamen wir drei Exzentriker immer zusammen in den bisher 38 Jahren. Bei Instrumentalmusik wird’s schon schwerer.

Zwei Lieder fallen diesmal besonders heraus: „Dann kommst Du wieder“, womöglich Dein erstes Duett auf einem Element-Album, mit dem Sänger von Isolation Berlin, Tobias Bamborschke. Und am Ende „Morgens um vier“, vielleicht das längste deutschsprachige Lied der Band mit fast sieben Minuten Laufzeit.

Element-Of-Crime-Sänger Sven Regener im Duett mit Freund Tobi

Sven Regener: Ja, das mit der Songlänge kann gut sein. „Wieder ein Tag“ war auch sehr lang, aber keine sechs Minuten. Zum Duett mit Tobi: Tatsächlich habe ich schon mal ein Duett gemacht, mit Andreas Dorau, „Hamburg 75“, eine Single-B-Seite. Ansonsten fällt mir nichts ein. Der Tobi ist ja ein Freund von uns, Isolation Berlin waren bei unserer letzten Tournee dabei. Ein bisschen wurde das Duett dann von außen angeschubst, von unserer Managerin. Mir fiel auf, dass dieses Lied dafür sehr schön geeignet sein könnte. Ich wollte aber keine heteronormative Nummer daraus machen, so ein Mann-Frau-Ding. Wenn zwei Jungs das singen, ist es doch auch ganz lustig. Zumal Tobi so ein toller Sänger mit einer sehr markanten Stimme ist und Isolation Berlin so eine tolle Band sind. Das ist ja auch so ein Singer-Songwriter- und Alternative-Rock-Ding, das zu Element Of Crime ganz gut passt.

Element Of Crime haben seit 30 Jahren einen ganz einmaligen Sound – und Ihr habt ja auch immer  betont, dass man ihn deswegen nicht krampfhaft verändern sollte. Zugleich sind die Elements längst eine Referenzband für eine bestimmte deutsche Popmusik, wenn man etwa Gisbert zu Knyphausen, Tom Liwa, Tristan Brusch oder zuletzt die Hamburger Band Staring Girl nimmt. Richard, macht es ein bisschen stolz, dass man Euch als große Vorbilder sieht?

Richard Pappik: Mit Stolz hab ich’s nicht so, aber es ist natürlich toll, wenn man so etwas feststellt. Genauso, wenn jemand einen Song von uns covern will, das ist immer eine große Ehre.

Es gibt von Euch zwei neue englischsprachige Cover, von John Cale und Jackson Browne. Wie seid Ihr auf die eher unbekannten Songs der beiden großen Songwriter gekommen? Und ist „You Know More Than I Know“ auch eine Art Hommage an Euren früheren Produzenten Cale zu seinem 80. Geburtstag?

Richard Pappik und die „Jungmännerzeit“

Sven Regener: Eine Hommage an Cale ist es auf jeden Fall, aber das mit dem 80. Geburtstag hatten wir nicht auf dem Zettel (lacht). Das ist natürlich nicht Bestandteil der regulären Platte, die beiden Stücke kommen wohl erst im Sommer im Stream raus. Das Cover von Jackson Browne war Richards Idee, er ist ein großer Jackson-Browne-Fan.

Richard Pappik: Ja, das stammt noch aus meiner Jungmännerzeit. Da war mir Jackson Browne unheimlich nah. Ein softer, lieber Typ, so gute, positive Musik – selbst wenn’s um dunkle, schmerzliche Sachen geht.

Neu ist – wegen des Todes Eures Bassisten und Produzenten David Young im vorigen Jahr – die Bandbesetzung mit Markus Runzheimer. Wie ergab sich diese erzwungene Neuerung am Bass nach einer so langen Zeit, war das sehr schwierig?

Element Of Crime mit neuem Bassisten

Richard Pappik: Dave war schon längere Zeit ziemlich krank. Auf der letzten oder vorletzten Tour hat ihn plötzlich eine starke Grippe überfallen, und wir konnten die letzten zwei Konzerte nicht spielen, es gab Probleme mit der Versicherung. Daraufhin kam Sven auf die sehr gute Idee, jemanden zu finden für den Fall, dass Dave  krank ist.

Sven Regener: Wir waren früher manchmal krank auf Tournee und haben trotzdem gespielt – ich mit einer Bronchitis, Richard mit einer Lungenentzündung. Das geht vielleicht noch, wenn man 40 ist, aber mit 60 plus sollte man das nicht mehr machen. Um gar nicht erst in die Versuchung zu kommen, dass Dave denkt, er muss es durchziehen, haben wir jemanden auf Standby gehalten, der also auf Abruf bereit steht – das war Markus, der hatte das alles drauf. Aber Dave hat ja für uns eine viel größere Rolle gespielt, er war nicht nur der Bassist, er hat diese Band sehr geprägt, er war unser Kabel in die große weite Welt. Und er war irgendwie auch mein bester Freund.

„Schafe, Monster und Mäuse“ war Euer Berlin-Album. Das ist jetzt weniger geworden, außer „Wieder Sonntag“ gibt es nur wenige direkte Bezüge zu Eurer Wahlheimat.

Sven Regener: Berlin ohne Lokalkolorit

Sven Regener: Nun, in „Ohne Liebe…“ kommt auch der Mauerpark vor. Bei manchen Songs  ergibt sich das einfach, wie jetzt in „Wieder Sonntag“, und bei anderen ergibt sich das eben nicht. Es war eigentlich recht spät in der Geschichte der Band, dass wir so einen Berlin-Bezug hatten. Mit „Alle vier Minuten“ und „Jung und schön“ ging es erst so richtig los damit, dass Berlin in unseren Songs benannt wurde. Ich lebe seit über 40 Jahren hier – ist ja klar, dass man davon beeinflusst ist. Aber man muss deswegen ja nicht auf Lokalkolorit machen. Wenn sich das ergibt, dann ist es eben so – wenn nicht, dann nicht.

Wie wird es nach dieser Platte weitergehen mit der Band? Wie geht es weiter mit Eurem Jazz-Trio-Projekt und dem Schriftsteller Sven Regener?

Sven Regener: Letztendlich ist es ja heutzutage so, dass die Tourneen schon gebucht sind, bevor der erste Song einer neuen Platte geschrieben ist. Das ist ein bisschen nervig, weil man eigentlich nicht Künstler geworden ist, um jetzt schon zu wissen, was man nächstes Jahr tun wird. Wir wissen also, was wir im Spätsommer/Herbst tun – da wird halt diese Tournee sein. Da spielen wir auch deshalb fünfmal in Berlin, weil Charly Hübner einen Film über die Band drehen wird. Er hat immer gute Ideen und einen speziellen Zugang zur Band. Mit Konzerten in sehr unterschiedlichen Berliner Clubs kann man ein bisschen unsere Geschichte nachzeichnen. Ende März/Anfang April haben wir Konzerte in Österreich mit der Jazz-Geschichte, das geht also live in kleinen Clubs und Kellern weiter.

Und als Schriftsteller bringe ich gerade das zweite Buch mit Andreas Dorau raus, „Die Frau  mit dem Arm“. Was die Romane, diese Ziegelsteine, betrifft – da muss man mal gucken. Es ist aber immer gut, ein bisschen Abstand zwischen den Projekten zu haben. Obwohl, das sagt jetzt der Richtige – es gibt ja auch noch ein Theaterstück am Thalia-Theater in Hamburg, das habe ich im Laufe des letzten Jahres mit Leander Haußmann zusammen geschrieben.

Sven und Richard, vielen Dank für das Gespräch!

(Beitragsbild: Element Of Crime von Charlotte Goltermann)

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