White Denim waren nie eine Band für simple Hintergrund-Mucke. MIt ihrem neuen Album scheinen sich James Petralli und Co. aber verrannt zu haben.
von Werner Herpell
Der Titel ist noch das Unkomplizierteste an der neuen Platte von White Denim. Schlicht und einfach „12“ heißt das Werk (als zwölftes Album der Band, mit insgesamt zwölf Tracks), das nach dem Willen von Mastermind James Petralli wohl das krönende Opus magnum der Texaner sein sollte. Ist es leider nicht geworden, und das hat mit der Kompliziertheit und Überspanntheit dieser Musik zu tun, die intellektuell zu viel will und emotional zu wenig liefert. Jedenfalls für die Ohren dieses White-Denim-Bewunderers der ersten Stunde (also ziemlich genau seit dem tollen Debüt „Workout Holiday“ von 2008).
Cleverness im Über-Maß
Wie manche Platten von Steely Dan, 10cc oder Joe Jackson (mit denen der komplexe Sound von „12“ sich in etwa vergleichen lässt) ist diese Platte „too clever for its own good“, wie englischsprachige Musikjournalisten in solchen Fällen gern anmerken. Cleverness im Über-Maß also. Will heißen: zu viel drin in dem Stil- und Genre-Mix aus Southern-Rock, Blues, Seventies-Soul, Funk, Jazz und Boogie; zu viele nur halb ausgereifte Songwriting-Ideen; zu viele Instrumente und Produktions-Gimmicks, die immer neue Türen öffnen, bis sich der Hörer in dem Labyrinth unrettbar verlaufen hat.
Ihren Tiefpunkt erreichen White Denim auf „12“ mit dem dritten Stück „Flash Bare Ass“, das ungeachtet – oder vielleicht auch wegen? – des Titels (ungefähr: „blitzeblanker Nacktarsch“) auf jeder Schlagerparty die berüchtigten Mithops- und Mitklatsch-Reaktionen auslösen dürfte. Na klar, es sind auch ein paar starke Titel auf der Platte, etwa der coole Opener „Light On“, das von weiblichen Vocals geprägte „Look Good“ oder der von Petralli ebenso schön soulig gesungene Midtempo-Groover „Second Dimension“. White Denim haben ihr Handwerk ja nicht verlernt, nur sind die Künste von Petralli und Co. diesmal nicht ganz so eindrucksvoll, wie man es sich von „einer der dynamischsten Rockbands dieses Jahrtausends“ (PR-Info) nach längerer Wartezeit erhofft hatte.
White Denim sind jetzt „viele Bands“
Oft fehlen die einprägsamen Melodien und gefälligen Harmonien, die all die losen Fäden zusammenhalten, etwa im überladenen „I Still Exist“, in „Swinging Door“, das wie ein chaotischer Black-Keys-Song klingt, der einfach nicht zum Punkt kommen will, oder im Richtung Saxophon-Free-Jazz wegdriftenden „We Can Move Along“. „Es war schon immer schwer, mit der Gruppe von James Petralli Schritt zu halten, seit sie ’08 mit hyperkinetischen Post-Punk-Krachern (…) explodierte“, heißt es nun PR-seitig über „12“. Leider wahr.
Denn das Schritthalten mit dem Ideen-Kraftwerk James Petralli ist, jedenfalls für diesen Langzeit-Fan, bei „12“ genau das Problem. „Selbst die Idee einer Band war vom Tisch“, sagt der Frontmann und Hauptproduzent selbst. „Auf dieser Platte sind viele Bands zu hören, manchmal im selben Raum wie ich, manchmal weit entfernt in einer entfernten Kollaboration, und dieser Prozess hat mir eine Menge Möglichkeiten eröffnet.“ Ob dies eine positive Entwicklung ist, sei mal dahingestellt.
Das Album „12“ von White Denim erscheint am 06.12.2024 bei Bella Union/Rough Trade. (Beitragsbild von Charlie Weinmann)