Tindersticks bleiben auch mit neuen Sounds magisch
Mit ihren ersten, 1993, 1995 und 1997 veröffentlichten drei Alben setzten Tindersticks Maßstäbe im Bereich zwischen Chamber- und Indie-Pop-Rock. Düster-romantisch, aufwühlend und manchmal auch verstörend klang die Band aus Nottingham. Die nachfolgenden Platten gerieten zu niveauvollen Variationen, zuletzt überzeugte die Band um Sänger Stuart A. Staples Ende 2019 mit dem auch bei Sounds & Books rezensierten Album „No Treasure But Hope“. Nur ein knappes Jahr später nun also „Distractions“, ein Album, das zwar nicht unberührt vom Lockdown geblieben sei, doch möchte es Staples nicht als ein „Lockdown“-Album bezeichnen: „I think the confinement provided an opportunity for something that was already happening. It is definitely a part of the album, but not a reaction to it”.
Tindersticks im repetitiv-hypnotischen Krautrockrausch
Ob Lockdown-Album oder nicht, „Distractions“ gehört zweifellos zu den ungewöhnlichsten Tindersticks-Werken in der fast 30-jährigen Bandkarriere. Lediglich sieben Songs befinden sich darauf, darunter sogar drei Cover-Songs. Mit dem elfminütigen „Man Alone (Can’t Stop The Fadin‘)“ beginnt die Formation mit einem massiven Fundament. Ein repetitiv-hypnotisches Ambient-Krautrock-Stück, das sämtliche bisher bekannten Tindersticks-Grenzen sprengt. Ein teilweise beunruhigender und teilweise kosmischer Trip. Im anschließenden, geflüsterten „I Imagine You“ bleibt die Zeit stehen, der Song scheint kontaktlos durch Raum und Zeit zu schweben. Die in französischer Sprache vorgetragene Piano-Ballade „Tue-moi“ ist ein kurzes Glanzstück in Sachen Trauer und Schwermut, bevor am Ende mit „The Bough Bends“ der mit neuneinhalb Minuten zweitlängster Track des Albums auf die Fans wartet. Vogelgezwitscher umrahmt diesen in Slowmotion mäandernden, mit schaurig-schönen Gitarrenakkorden versehenen Song.
Drei Cover-Songs
Erneut gleiten wir in einen betörenden Tindersticks-Klangkosmos zwischen Melancholie, Anmut und Wahn. Die Cover-Songs reihen sich mühelos ein. Eine zauberhafte, seelenvolle und vom jeglichen Bombast-Pathos befreite Version von Neil Youngs „A Man Needs A Maid“, das Staples mit Gastsängerin Gina Foster singt, ist zu goutieren, genauso wie die elegante und symphonische Folk-Pop-Variante von „Lady With The Braid“ der amerikanischen Singer-Songwriterin Dory Previn. Und dann interpretieren Tindersticks noch „You’ll Have To Scream Louder“ der Psychedelic-Punk-Pop-Band Television Personalities mit einem tranceartigen Groove. Einmal mehr öffnet sich die britische Band für neue Sounds und bleibt noch immer sie selbst. Beeindruckend.
„Distractions“ von Tindersticks erscheint am 19.02.2021 bei City Slang. (Beitragsbild von Richard Dumas und Suzanne Osborne)
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