Roo Panes live in Berlin 2023

Roo Panes live Berlin 2023 Heimathafen Neukölln by Werner Herpell Sounds & Books

Mit einem der stärksten Folk-Alben des Jahres gastiert der Brite Roo Panes in Berlin. Bezaubert „The Summer Isles“ auch live mit seinen bildstarken Texten und prächtigen Melodien?

Text und Fotos von Werner Herpell

Es wäre arg ungerecht, Roo Panes als Ex-Burberry-Model, als Laufsteg-Schönling zu denunzieren – und damit von vornherein seine Musik abzuwerten. Denn die nimmt er sehr ernst, dieser 35-jährige Sänger und Gitarrist aus dem Süden Englands, und er macht es sich auch nicht leicht mit irgendeiner seichten Pop-Mixtur wie so viele, die das Folk-Etikett eigentlich gar nicht verdienen.

Ein überraschend junges Publikum

Echter britischer Folk (okay, inklusive einer Prise Softpop) ist es also, mit dem Panes hochwertige Alben füllt und

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ein buntes, überraschend jugendliches Publikum begeistert. So auch in Berlin, am 15.06.2023 im Neuköllner Heimathafen. Mit der im März digital und Mitte Mai auch physisch veröffentlichten vierten Studioplatte „The Summer Isles“ hat sich Andrew „Roo“ Panes zu einem deutschlandweit exklusiven Konzert in der Hauptstadt eingefunden, und trotz seines Geheimtipp-Status‘ ist der Saalbau gut besucht.

Dass die 15 neuen Stücke das 2014 mit „Little Giant“ begonnene bisherige Oeuvre dieses Singer-Songwriters krönen, hat sich längst herumgesprochen. Zudem hat Berlin eben auch viele britische Bewohner, die eine große Dosis Heimatgefühl dankbar annehmen. Und Heimatgefühl, vor allem mit Bezug zu Schottlands Idylle und landschaftlicher Pracht, bietet das Album reichlich – die „Summer Isles“, ein Archipel aus 29 Inseln an den nordwestlichen Highlands, liefern Hintergrund und Titel einer Platte, die so sehr entzückt wie kaum ein anderes Folk-Album in diesem Jahr.

„Suburban Pines“ als Highlight

Panes spielt bei seinem gut 80-minütigen Auftritt einige der Perlen dieser Songsammlung, etwa das wunderschöne Titelstück, die romantischen „Leave That Light On“ und „Let It Be A Long Time“, vor allem das Album-Highlight „Suburban Pines“, mit dem der Storyteller aus Dorset in 17 Strophen die Geschichte seiner Jugend und einer Liebesbeziehung verwebt.

Wie ernst Panes den authentischen Folkie-Job nimmt, zeigt die Instrumentierung seiner Band: er selbst an Ukulele und Akustikgitarre, Josh Flowers und Sam Glazebrook an Mini-Standschlagzeug und Mandoline, Gitarre und Tasten, außerdem Cello und Violine. Eine klassische Brit-Folk-Besetzung, die neuen und älteren Panes-Liedern („Ophelia“, „My Sweet Refuge“) auch live bei all ihrer Süße und Melodieseligkeit eine unterschwellige herbe Melancholie verleiht. Klar, dieser offenkundig glückliche junge Mann ist kein Nick Drake, John Martyn oder Richard Thompson – dafür fehlt seiner Musik das Dunkle, das Verzweifelte, das Abgründige. Aber ein Songwriter-Leichtgewicht ist er eben auch nicht.

Riesiger Beifall für Roo Panes

Im Konzert begeistern neben den 13 präsentierten Liedern sowohl Panes‘ volle, warme Bariton-Stimme als auch das perfekte Zusammenspiel, beziehungsweise das virtuose Zusammensingen, mit seinen vier Bandmitgliedern. So wird geschickt überdeckt, dass die Songauswahl  keine allzu große Variationsbreite hat, dass es eigentlich immer nur zwischen zarter Ballade und gepflegtem Midtempo hin und her geht.

Das Berliner Publikum, diesem schmucken Singer-Songwriter ohnehin von Beginn an verfallen, stört sich daran überhaupt nicht. Die Weltflucht, zu der „The Summer Isles“ und frühere Roo-Panes-Platten herzlich einladen, ist in diesen Zeiten ja auch gar zu willkommen. Riesiger Beifall und mehrere Zugaben, danach sind auf und vor der Bühne alle rundum happy.

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