Mieko Kawakami: Brüste und Eier – Roman

KAWAKAMI MIEKO (c) Wakaba Noda

Die Japanerin Mieko Kawakami schreibt „Brüste und Eier“ aus konsequent weiblicher Perspektive

Man darf die 1976 in Japan geborene Mieko Kawakami bei der Titelwahl ihres Romans nicht falsch verstehen. Es geht in der Tat um “Brüste und Eier” und welche Auswirkungen sie haben. Es geht um alles oder nichts in der japanischen Gesellschaft. Das Leben der jungen Schriftstellerin Natsuko Natsume wird aus konsequent weiblicher Sicht erzählt und die Frage nach einem eigenen Kind ausgeleuchtet. Fast alle Protagonist:innen im Roman sind weiblich und Kawakami legt sie breit gefächert in der japanischen Gesellschaft an. Von der armen, unglücklich verheirateten Frau bis hin zur materiell abgesicherten Karrierefrau, die nie Mutter werden wollte, ist jeder Frauentypus vertreten.

Allen Frauen ist jedoch eine Sache gleich: sie haben entweder gar keine oder sehr schlechte Beziehungen zu Männern. Sie werden geschlagen, verlassen, vergewaltigt und getötet. Alle wollen ein selbstbestimmtes Leben führen, manche sind witzig und alle sind eigentlich klug genug, um ihr Leben selbst in die Hand nehmen zu können. Sie scheitern aber an der Realität einer zutiefst patriarchalen Gesellschaft. Die einzige Ausnahme bildet vielleicht die jüngste Generation, dargestellt durch Natsukos Nichte Midoriko, die als eine Art Hoffnungsschimmer gelesen werden kann.

Der Kinderwunsch, der nicht sein darf

Mieko Kawamaki Brüste und Eier Buchcover Dumont Verlag

Erzählt wird aus der Perspektive der alleinstehenden Natsuko, die es zu einer vielversprechenden Schriftstellerin bringen könnte. Sie veröffentlicht einen Erzählband und taucht langsam ein in die Welt der Agenturen, Literaten und Lektoren. Nebenbei formt sich erst unbestimmt, dann immer deutlicher der Wunsch nach einem Kind, während das Schreiben mehr und mehr ruht oder nicht mehr gelingen will. Kawakami verhandelt auf allen Ebenen und aus vielen Perspektiven die Frage nach diesem eignen Kind, das interessanterweise hier zulasten des Schreibens geht. Das Wie, Wann, Warum des Kinderwunsches beleuchtet die Autorin sehr genau und sie nimmt sich manchmal etwas zu viel Zeit dafür.

Frauen ohne Partner ist in Japan auf legalem Weg eine Kinderwunschbehandlung verwehrt und Natsukos Wunsch spaltet auch die Gemüter der Freundinnen und Familienmitglieder um sie herum. Sie könnten interessant sein diese Protagonistinnen, leider aber geraten manche Figuren recht flach oder sie sind überzeichnet wie Natsukos Lektorin und die Schriftstellerkollegin Yusa. Auffällig abwesend sind in dem Roman fast alle Väter. Auch bei der einzig männlichen Figur Aizawa dominiert die Frage nach dem Vater. Aizawa, der durch eine anonymen Samenspender gezeugt wurde, sucht sein Leben lang nach ihm.

Mieko Kawakamis Roman richtet sich gegen das Patriarchat

Die durchgehend negativen Beziehungen zu Männern und die manchmal überzogen gezeichneten Protagonistinnen sind die Achillesferse der Erzählung, denn es fehlen die Grautöne, die Zwischenebenen. Kawakami schreibt in äußerst klarer Sprache, die hinter der Erzählung richtiggehend verschwindet und gibt Raum für das Unglück einer zutiefst patriarchalen Gesellschaft. So wichtig und auch erzählenswert die Geschichte ist, denn ja, man bleibt dran beim Lesen und geht immer wieder zurück, so hätte dem Lesefluss ein wenig Straffung jedoch gut getan. Zum Frauentag aber und an allen 364 Tagen danach sollte der Roman dennoch verschenkt werden – vor allem an alle jene, die sich nicht als Frauen sehen.

Mieko Kawakami: „Brüste und Eier“, Dumont, Köln 2020, übersetzt von Katja Busson, Hardcover, 495 Seiten, 978-3-8321-8373-8, 24,- Euro. (Beitragsbild von Wakaba Noda)

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