MGMT: Loss Of Life – Albumreview

MGMT Credit Johnah Freeman

Das war nicht unbedingt zu erwarten: Das zuletzt etwas ziellose US-Duo MGMT liefert mit mehr Ernsthaftigkeit und zehn Psych-Pop-Perlen sein Meisterstück ab.

von Werner Herpell

Als The Management vor gut 20 Jahren gestartet, sind MGMT (so die kaum besser googelbare Abkürzung des Bandprojekt-Namens) längst zu einer festen Größe im Subgenre Psychedelic-Pop/Indietronica geworden. Und doch kriegt man dieses New Yorker Duo aus Andrew VanWyngarden und Benjamin Goldwasser (beide 41) stilistisch weiterhin nicht wirklich zu fassen. „We’re into so many different styles of music“, gab Keyboarder Goldwasser gerade erst in einem Feature des UK-Magazins „Uncut“ (Februar-Ausgabe) zu. „I like it that way. Shapeshifters are a nice part of the community.“ Diese ständigen „Gestaltwandlungen“ konnten zuletzt auch schon mal anstrengend ziellos und nervig sein.

„You have to love MGMT“?

Wenn mir daher zum neuen, insgesamt

___STEADY_PAYWALL___

fünften MGMT-Album „Loss Of Life“ ein PR-Beipackzettel so offensiv mit der Tür ins Haus fällt, werde ich misstrauisch: „We all hear different things. So go ahead: like what you like and hate what you hate. The choices are all yours“, räumt ein gewisser Tom Scharpling zunächst großzügig ein. Um dann zu poltern: „Except when it comes to MGMT. You have to love MGMT. If you don’t love MGMT you’re objectively and provably wrong. Do you want to be known as an idiot?“ Nee, man muss auch weiterhin nicht jedes MGMT-Album seit dem tatsächlich spektakulären Debüt „Oracular Spectacular“ (2007) lieben…

Das Spannende, wenn man „Loss Of Life“ dann in Ruhe wohlwollend hört: Scharpling – ein bekannter US-Comedian, Radiomoderator, Video-Regisseur und Produzent – liegt, wenn man ihm komödiantische Ironie zugesteht, gar nicht so daneben. Dieses Album rechtfertigt den Lautsprecher-Hype.

Statt Seifenblasen mehr Ernsthaftigkeit

MGMT Loss Of Life Cover Mom+Pop

Früher waren MGMT zuweilen eine gewisse Oberflächlichkeit, sorglose Verspieltheit, gar zynischer Hedonismus unterstellt worden, wenn sie wieder mal eine Platte voller süßer Electropop-Bonbons und bunt schillernder Psych-Seifenblasen raushauten. Nach dem Mainstream-Durchbruch mit „Congratulations“ von 2010 (Platz 2 der US-Albumcharts) wurde ihr Soundkonzept zeitweise etwas fadenscheinig.

VanWyngarden hat nun in dem „Uncut“-Interview bereitwillig zugegeben, dass eine größere Ernsthaftigkeit bei MGMT Einzug erhalten hat. „Es gibt diesmal nicht viel Ironie und Sarkasmus“, sagte der Leadsänger, Songwriter und Gitarrist. „Wir haben das Gefühl, dass die Welt derzeit etwas weniger Zynismus braucht.“ Hehre Worte für eine dreiviertel Stunde Popmusik – aber definitiv untermauert durch erhebende Songs, die das Leben in diesen düsteren Zeiten immerhin schöner machen.

Weiter zurück in die Pop-Historie

Nach dem kurzen Opener „Loss Of Life (Part 2)“ machen sich MGMT mit „Mother Nature“, einem ihrer bisher tollsten Lieder überhaupt, so überschwänglich an den Hörer heran wie Scharpling im zitierten PR-Text. Waren es früher aktuellere Indie-Bands wie The Flaming Lips, Tame Impala oder Of Montreal, mit denen MGMT verglichen wurden, so geht es diesmal deutlich weiter zurück in die Pop-Historie.

„Dancing In Babylon“, die spannungsvoll erwartete Kooperation von VanWyngarden/Goldwasser mit Christine And The Queens, erinnert an ein berühmtes Elton-John-Duett mit Kiki Dee aus den mittleren 70ern („Don’t Go Breaking My Heart“). Die prachtvolle 80s-Ballade „People In The Streets“ ist eines dieser Lieder, die für eine neue Erwachsenheit von MGMT stehen. „Bubblegum Dog“ geht schon vom Titel her Richtung Seventies-Glamrock – Marc Bolan und David Bowie lassen grüßen.

MGMT zitieren munter – aber sie kupfern nicht ab

Später wird mal dem Easy-Listening-Popgenie Burt Bacharach Tribut gezollt (dessen legendären Trompeten-Sound MGMT in „Nothing Changes“ einbauen), mal den Beach Boys der „Pet Sounds“/“Smile“-Ära (in „I Wish I Was Joking“ und dem Closer „Loss Of Life“). Andere Referenzen dieses munter aus der Musikgeschichte zitierenden Albums sind die Beatles, Simon & Garfunkel und der Barock-Pop von The Zombies. Aber MGMT kupfern nie schnöde ab – „Loss Of Life“ ist ein Pure-Pop-Patchwork, das die Suche nach Einflüssen zur reinen Freude macht und dabei doch originell bleibt. 

Fazit: Ihr stärkstes Album bisher. „Simply put, the guys did it again!“, tönt der PR-Brachialpoet Tom Scharpling. Ich ergänze: The guys did it again – but even better!

Das Album „Loss Of Life“ von MGMT erscheint am 23.02.2024 bei Mom + Pop / H’Art. (Beitragsbild von Johnah Freeman)

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Kommentar schreiben