Israel Nash live in Berlin 2024

Israel Nash live Berlin 2024 Lido by Werner Herpell Sounds & Books

Nach dem Vorbild Neil Young auf früheren Alben verbeugt sich Israel Nash nun vor den „Heartland-Rock“-Ikonen. Wie klingt die Hommage im Live-Kontext?

Text und Fotos von Werner Herpell

Man kann die Ozarks verlassen, aber irgendwie bleibt man doch immer ein Ozarker: Diese aus 43 Lebensjahren gewonnene Weisheit hat Israel Nash (der seinen eigentlichen Nachnamen Gripka schon länger abgelegt hat) zu einer neuen Studioplatte, der siebten, inspiriert. Und egal, ob man „Ozarker“ nun zu einem der Top-Alben dieses Singer-Songwriters erklärt oder in dieser Hinsicht zurückhaltender ist – die Empathie und Eindringlichkeit, mit der Nash seine Wurzeln in der Ozark-Provinzregion Missouri, deren Menschen, ihre Hoffnungen, Mühen und Enttäuschungen durch den „American Dream“ schildert, ist definitiv berührend.

Nostalgisch und desillusioniert

Auch beim Live-Auftritt im

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bestens gefüllten Berliner Club Lido am 14.02.2024 – leider das einzige Deutschland-Konzert des Musikers mit seiner tollen vierköpfigen Band – kommt dieses mal nostalgische, mal desillusionierte Feeling rüber. Zumal Nash die Texte gelegentlich mit vielen Worten quasi als sein eigener Ansager einführt und dem Publikum nahezubringen versucht – was den Flow leider manchmal stört. Insgesamt aber funktioniert die Mischung aus Ozarks-Unterrichtsstunde, freundlicher Hippie-Philosophie und kraftstrotzender Americana-Musik.

Womit wir beim Wesentlichen wären: den Songs. Ein rundes Dutzend präsentiert Israel Nash, der inzwischen in Texas lebt, vor den beiden Zugaben, den Hauptanteil liefert wie üblich das neue, vor Live-Publikum zu bewerbende Album. „Ozarker“ steht dabei nicht nur textlich für eine Rückbesinnung auf schon lange zurückliegende Zeiten, sondern auch musikalisch: Diese Platte ist vom überaus populären „Heartland Rock“ der 60er bis 80er Jahre geprägt – John Fogertys ikonische Band Creedence Clearwater Revival, Bruce Springsteen, Tom Petty, vor allem aber Bob Seger und John Mellencamp sind unverkennbar Vorbilder des 1981 geborenen Sängers und Gitarristen.

Nashs Zeitmaschine

Dass Israel Nash ein begeisterter Epigone ist, der seinen Idolen mit viel Herzblut Tribut zollt und derweil an Innovation weniger interessiert ist – diese Auffassung mancher Kritiker bestätigt sich auch beim Berliner Gig. Wie in einer Zeitmaschine, die den Zuschauer 40, 50 Jahre rückwärts befördert, fühlt man sich bei „Ozarker“-Stücken wie „Can’t Stop“, „Roman Candle“ oder „Firedance“. „Lost In America“, dessen Hintergrund Nash vorab ebenfalls ausführlich ausleuchtet, ist sein „Born In The USA“-Moment: Wie beim „Boss“ geht es hier um die inneren Verheerungen durch einen irrsinnigen Krieg. Der auf dem Album opulent instrumentierte Song wird im Konzert zu einer stillen Andacht – nur Nash und der großartige Eric Swanson an der PedaI-Steel, ein hoch konzentriertes Highlight.

Es bleibt angesichts eines grundsoliden, auch durch den Leadgitarristen Curtis Roush veredelten Auftritts etwas Ratlosigkeit zurück. Ist Israel Nash mehr als ein eifriger Nachahmer, ein kompetenter Folkrock-Handwerker, ein ordentlicher Performer? Auch die Konzert-Schlussphase, die sich vom aktuellen Album löst, gibt keine endgültige Antwort. Mit „Mansions“ und „Rain Plans“ geht die Band nochmal in die Vollen –  Gitarren, Bass und Drums im lautstarken Angriffsmodus. Diese beiden Lieder von Nashs weiterhin bestem Album „Rain Plans“ (2013) sind superb in ihrer glühenden Fixierung auf Neil Young & Crazy Horse, eine ganz eigene Handschrift tragen sie aber auch nicht.

Viel Dankbarkeit für Israel Nash

Den Fans ist’s egal. Sie jubeln dem löwenmähnigen, großgewachsenen Musiker, der sie fast zwei Stunden lang mit seinen uramerikanischen Sounds und viel Verve in die guten alten Jeans-Rocker-Zeiten zurückversetzt hat, dankbar zu.

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