Cat Power: Sings Dylan – The 1966 Royal Albert Hall Concert

Cat Power credit Inez & Vinoodh

Wie covert man ikonische Dylan-Songs eines seiner legendärsten Konzerte? Cat Power verbeugt sich vor dem Meister, ohne die Fans zu frustrieren.

von Werner Herpell

Bei Cover-Alben mit Liedern berühmter Künstler gibt es (mindestens) drei Möglichkeiten: radikale Veränderung bis zur dreisten Dekonstruktion des Ausgangsmaterials auf der einen Seite; ambitionsloses, pflegeleichtes Nachbauen oder Nachsingen auf der anderen; oder aber – irgendwo dazwischen – eine so respekt- wie liebevolle Annäherung, eine ehrenwerte Verbeugung. Mit letzterem haben wir es bei der neuen „Sings Dylan“-Platte von Chan Marshall alias Cat Power zu tun.

Von Herzen kommend, zu Herzen gehend

Cat Power Sings Dylan Cover Domino Recordings

Während also – um ein aktuelles Beispiel aus diesem Jahr zu nennen – die faszinierende Kompilation „The Endless Coloured Ways – The Songs Of Nick Drake“ alle drei Optionen der Cover- oder

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Tribute-Kunst enthielt, zeigt der Konzertmitschnitt „Cat Power Sings Dylan: The 1966 Royal Albert Hall Concert“ weniger Mut – ohne allerdings zu frustrieren. Dafür ist die Aneignung der 15 wohlbekannten Dylan-Stücke durch die 51-jährige Singer-Songwriterin aus Atlanta/Georgia zu sensibel – von Herzen kommend und zu Herzen gehend. Und natürlich ist da, als unschlagbare Trumpfkarte, immer diese dunkle, edle Stimme, die Soul, Gospel, Folk, Pop oder Indie-Rock gleichermaßen tragen und dabei so viel Wärme transportieren kann.

Cat Power trat also vor einem Jahr auf die Bühne der Royal Albert Hall in London, um eine Song-für-Song-Neuauflage eines der legendärsten Live-Konzerte aller Zeiten zu präsentieren. Der berühmte Dylan-Gig im Mai 1966 hatte zwar in der Manchester Free Trade Hall stattgefunden, wurde aber aufgrund eines falsch beschrifteten Bootlegs als „Royal Albert Hall Concert“ bekannt. Der wenige Jahre zuvor als Folkie angetretene Musiker wechselte in der Mitte der Show von akustischen zu elektrischen Songversionen – „was den Zorn der Folk-Puristen auf sich zog und den Kurs des Rock’n’Roll für immer veränderte“, wie Cat Powers Label Domino völlig richtig schreibt.

Cat Power: Eine große Song-Interpretin

Dass Chan Marshall diesen wunderbaren frühen Dylan-Liedern – darunter Ikonen wie „Just Like A Woman“, „Mr. Tambourine Man“ oder „Like A Rolling Stone“ – auch ohne „Modernisierung“ neues Leben einhauchen kann, kommt natürlich nicht von ungefähr. Denn Cat Power war schon immer eine große Song-Interpretin, ihre fast dreißigjährige Karriere ist (auch) von drei Cover-Alben geprägt: „The Covers Record“ aus dem Jahr 2000, „Jukebox“ von 2008 und „Covers“ von 2022. Den als „His Bobness“ betitelten größten Song-Poeten der 60er und 70er bezeichnete sie als „Gott Dylan“.

Wie bei dem göttlichen Original-Konzert gibt Cat Power die erste Hälfte ihres Sets (inklusive des Byrds-Hits „Mr. Tambourine Man“) in akustischen Versionen und lässt sich dabei wie ihr Vorbild viel Zeit (gut neun Minuten „Visions Of Johanna“, über zwölf Minuten „Desolation Row“). Mit „Tell Me, Momma“ als achtem Track kommt die Band ins Spiel: Gitarrist Arsun Sorrenti, Bassist Erik Paparozzi, die Multiinstrumentalisten Aaron Embry (Mundharmonika, Klavier) und Jordan Summers (Orgel, Wurlitzer) sowie Schlagzeuger Josh Adams.

Saftiger Folkrock inklusive „Judas!“-Ruf

Jetzt wird saftig gefolkrockt, so authentisch wie möglich seitens der Musiker und des Publikums: In einer Anspielung auf den berühmten „Verrat!“-Moment des Original-Konzerts von 1966 ruft ein Zuschauer tatsächlich irgendwann „Judas!“. Es ist ein Fest für Verehrer von Bob Dylan und Cat Power gleichermaßen.

„Wenn jemand einen Song covert, den du liebst, kann er dir etwas geben, das du für immer in Erinnerung behältst, weil er es auf seine Weise vorträgt, mit seiner Stimme, mit der Art, wie er eine bestimmte Zeile anstimmt oder summt“, sagt Chan Marshall und erklärt damit auch ihre für manche Hörer vielleicht etwas zu devot klingende Herangehensweise an das fast 60 Jahre zurückliegende Dylan-Konzertdokument. „Ich hatte und habe immer noch großen Respekt vor dem Mann, der so viele Songs geschrieben hat, die dazu beigetragen haben, das bewusste Denken von Millionen von Menschen zu entwickeln, die Art und Weise, wie sie die Welt sehen, zu formen. Obwohl meine Hände so sehr zitterten, dass ich sie in den Taschen lassen musste, fühlte ich mich sehr geehrt.“

Cat Power muss vor Dylan nicht zittern

Die zittrige Cat Power kann beruhigt sein: Dem 82-jährigen Meister wird ihr Tribute vermutlich gefallen, wenn er „Sings Dylan…“ auf seiner aktuellen Tour hört.

Das Album „Cat Power Sings Dylan: The 1966 Royal Albert Hall Concert“ von Cat Power erscheint am 10.11.2023 bei Domino Recordings. (Beitragsbild-Credit: Inez & Vinoodh)

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