Loving: Any Light – Albumreview

Loving credit Zoe Alma

Als Studio- und Konzert-Begleiter der wunderbaren Alice Phoebe Lou kennt man das Duo Loving schon länger. Mit dem zweiten Album „Any Light“ landen die Kanadier nun selbst einen Volltreffer.

von Werner Herpell

„Bezaubernd“ ist das Wort, das vielen Musikfans – ob männlich oder weiblich – schnell zu Alice Phoebe Lou einfällt. Die aus Südafrika stammende, in Berlin lebende Singer-Songwriterin hat ihr ganz besonderes, einnehmendes Charisma in Hunderten Straßenkonzerten, aber auch in größeren Clubs und zunehmend mittelgroßen Venues überall auf der Welt unter Beweis gestellt. Warum diese Vorrede, wenn es hier doch um Loving, also das kanadische Multiinstrumentalisten-Duo Jesse Henderson und David Parry, gehen soll? Weil diese wunderbare kleine Band seit langem Alice Phoebe Lou begleitet, ihr im Studio und auf der Bühne zur Seite steht – und ähnlich bezaubernd klingt.

Auf dem Sprung zum internationalen Erfolg

Loving Any Light Albumcover

Mit dem

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zweiten Album „Any Light“ sind Loving (was für ein schöner, zärtlicher Bandname!) nun selbst auf dem Sprung zum internationalen Erfolg. Ihre „freshly polished soft-rock Americana“ lobte gerade erst das einflussreiche UK-Musikmagazin „Uncut“, und auch darüber hinaus dürfte diese Platte jede Menge Beifall einheimsen (von Lou-Verehrern sowieso, denn die kennen ja diesen warmen, luftig produzierten Indie-Folkpop-Sound bereits bestens).

Ansässig sind Loving in British Columbia an der Westküste Kanadas. Mit dem feinen Debütalbum „If I Am Only My Thoughts“ (kurz vor Ausbruch der Pandemie Anfang 2020 erschienen, daher zu Unrecht etwas unter dem Radar geblieben und weiterhin bei Bandcamp erhältlich) setzten Henderson/Parry eine erste Duo-Duftmarke. Dann kam es zu der erwähnten Zusammenarbeit mit der südafrikanischen Kollegin bei deren erfolgreichen Alben „Glow“ (2021) und „Shelter“ (2023), zu diversen gemeinsamen Auftritten in Europa inklusive dem Pop-Mutterland Großbritannien – und jetzt ist endlich das Loving-Album Nummer 2 da.

Leise, zurückhaltend – und dennoch intensiv

„Soft spoken“, also leise und zurückhaltend, nennt man wohl den Gesangsstil, den die beiden Singer-Songwriter hier pflegen – ähnlich wie Paul Simon, Sufjan Stevens, Josh Rouse, M. Ward oder Conor O’Brien (Villagers). Am ehesten vergleichbar sind die zehn kompakten Lieder (Gesamtlaufzeit knapp 30 Minuten) mit denen der norwegischen Kings Of Convenience, auch die frühen Piano-Pop-Songs von Gilbert O’Sullivan und der Westcoast-Folk der 70er („Gift“) haben Spuren hinterlassen.

Was die Single-Auskopplungen betriftt, ist das im Risque-Disque-Studio auf Vancouver Island eingespielte Album ein bisschen „front-loaded“ – die intensivsten Ohrenschmeichler „Any Light“ (herrlich Spotify-sperrig mit dem langen instrumentalen Gitarren-Intro), das federleichte „Medicine“ (Harry Nilssons „Everybody’s Talking“ lässt schön grüßen) und das sanft wiegende Midtempo-Stück „No Mast“ sind allesamt in der ersten Hälfte der Tracklist untergebracht. Aber auch danach hat „Any Light“ noch einige Highlights zu bieten, bis es mit der berührenden Ballade „Blue“ versonnen ausklingt.

Loving und das Konzept des Lichts

Textlich verhandeln die Songs komplexe Themen wie romantische Liebe, Depressionen, existenzielle Unsicherheit und die psychischen Folgen des Lebens in einer zunehmend digitalisierten Welt – also kein leichter Stoff, der dem Easy-Listening-Appeal mancher Lieder direkt entspräche. „Als ich all diese Songs zusammen betrachtete, wurde mir klar, dass sich das Konzept des Lichts wie ein roter Faden durch das Album zieht“, sagt Sänger/Texter Henderson über den Albumtitel. „Für mich bedeutet Licht Bewusstsein oder Einsicht, was damit zusammenhängt, dass viele dieser Songs eine Veränderung der Perspektive dokumentieren.“

Die beiden Loving-Musiker spielten zwar den größten Teil der Instrumente selbst (Henderson: Klavier, Orgel und Gitarre; Parry: Gitarre, Bass, Schlagzeug/Percussion und zusätzliche Keyboards) – für die ausgefeilten Tracks ihrer zweiten Studioplatte nahmen sie aber noch etwas Hilfe befreundeter Musiker in Anspruch, darunter Evan Cheadle an der Gitarre, Colin Nealis für die Streicher und Keenan Mittag-Degala für weitere Percussions. So ist den Alice-Phoebe-Lou-Begleitern ein ambitioniertes Album geglückt, das auch die befreundete Wahl-Berlinerin gewiss gern hören wird. Ein frühes Indie-Folkpop-Juwel dieses Jahres.

Das Album „Any Light“ von Loving erscheint am 09.02.2024 bei Last Gang/MNRK-SPV. (Beitragsbild von Zoe Alma)

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