John Mellencamp: Orpheus Descending

John Mellencamp Orpheus Descending Cover Republic

Vom jugendlichen Popstar mit „Cougar“-Alias zum raspelstimmigen Roots-Folk-Sänger: John Mellencamp setzt seinen langen Weg auf „Orpheus Descending“ eindrucksvoll fort.

von Werner Herpell

Bruce Springsteen ist natürlich der unangefochtene König des „Heartland Rock“, jenes seit Mitte der 1970er-Jahre entstandenen volksnahen Gitarrenrock-Stils. Dahinter Tom Petty und John Fogerty – dann aber auch schon John Mellencamp. Von den Pop-Anfängen als John Cougar mit dem gleichnamigen Debüt von 1979  (das Puma-Alias legte er nach und nach ab) bis zu den neueren, an Woody Guthrie oder Pete Seeger erinnernden Folk-Stücken war es ein weiter Weg für den mittlerweile 71-jährigen Singer-Songwriter. Aber, wie nun auch „Orpheus Descending“ wieder beweist, ein lohnender.

Ein großes Herz für die kleinen Leute

John Mellencamp Orpheus Descending Cover Republic

Denn John Mellencamp zeigt auch auf

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diesem 25. Studioalbum einer gewundenen Karriere sein großes Herz für die kleinen Leute, sein nie erlahmendes politisches Engagement und sein Gespür für starke Melodien. Dass die Stimme immer rauer und raspeliger geworden ist im Laufe der Jahre, erhöht eher noch ihren Reiz – etwa wenn er im Opener „Hey God“ angesichts der irrsinnigen Waffengewalt in den USA Gott zornig auffordert, gefälligst mal von da oben herunterzusteigen, falls ihm noch was an den Menschen liege: „Hey God if You’re still there/would You please come down/hey God if You’re still there/would You please come down/we can’t take it no more.“ Denn: „This is not the Garden of Eden for sure“, hier auf Erden.

Stinksauer und sozialkritisch ist Mellencamp auch in anderen Liedern, die er mit großem Ernst und viel Würde vorträgt. Im Track „The Eyes Of Portland“ beispielsweise, mit dem sich der Sänger über die grassierende Obdachlosigkeit in seiner Heimat empört („All of these homeless/where do they come from/in this land of plenty/where nothing gets done“). Oder in „The So-Called Free“, das den Zweifel über die amerikanische Realität mit ihren „false prophecies“ schon im Titel trägt.

Dass diese Lieder nicht besonders innovativ arrangiert sind, also einen eher derben Old-School-Rootsrock zelebrieren, schadet dabei gar nicht – das passt sogar besser zu den desillusionierten Lyrics als eine irgendwie modernisierte Form von Folk oder gar Pop. Zumal mit der Ballade „Understated Reverence“ mittendrin ein wunderschön zarter Ruhepol zwischen all diesen rustikalen Liedern zu finden ist.

John Mellencamp vs Donald Trump

„Orpheus Descending“ wurde von Mellencamp selbst produziert und aufgenommen im eigenen Belmont Mall Studio, der Singer-Songwriter bezeichnet das Album als „eine der persönlichsten Veröffentlichungen“ seiner Laufbahn. Für das Vorgängerwerk „Strictly A One-Eyed Jack“ erhielt er im vergangenen Jahr viel Kritikerlob, konnte den Charts-Erfolg von „Other People’s Stuff“ (Platz 7 in den US-Albumcharts 2018) aber nicht wiederholen. Mit dem Jubiläumswerk ist ihm hoffentlich wieder mehr kommerzieller Erfolg beschieden. Zumal es den Amerikanern sehr gut täte, Mellencamps Texte zu hören – in einem Land, das vor der Entscheidung steht, ob Donald Trump die Demokratie dort endgültig kurz und klein schlagen darf.

Ein hochdekorierter John Mellencamp

John  Mellencamp indes muss als Musiker der Extraklasse nichts mehr beweisen. In die Rock & Roll Hall of Fame wurde er bereits 2008 aufgenommen, zehn Jahre später auch in die Songwriters Hall of Fame. Er gewann einen Grammy (bei 14 Nominierungen), den John Steinbeck Award, den Woody Guthrie Award und den Lifetime Achievement Award der Americana Music Association. Parallel zur Musik konzentriert sich der  im Oktober 1951 im Bundesstaat Indiana geborene Künstler auf die Malerei mit etlichen Galerie- und Museumsausstellungen. Das aktuelle Buch „John Mellencamp: Paintings and Assemblages“ ist über den renommierten New Yorker Verlag Rizzoli erhältlich.

„Orpheus Descending“ von John Mellencamp erscheint am 30.06.2023 bei Republic Records/Universal Music (nach einer Digital-Veröffentlichung Anfang Juni) auch auf CD, etwa später dann noch auf Vinylplatte. (Beitragsbild: Albumcover)

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