Tonio Schachinger: Nicht wie ihr – Roman

Tonio Schachinger credit www.detailsinn.at

Der Fußballroman von Tonio Schachinger auf der Shortlist Deutscher Buchpreis

Wer unmittelbar nach Bekanntgabe der Shortlist zum Deutschen Buchpreis „Nicht wie ihr“ von Tonio Schachinger zu kaufen bekommen haben sollte, war wohl schnell. Denn innerhalb kürzester Zeit war der Titel vorübergehend weder verfügbar noch lieferbar. Klarer Nachfrageüberhang also und damit gutes Zeichen für Autor und Verlag. Inzwischen nun also die zweite Auflage des erst vor wenigen Wochen veröffentlichten „Fußballromans“, beziehungsweise laut  Verlagsbeschreibung, Romans „für Fußballfans und Fußballverweigerer gleichermaßen“.  Vor allem aber für die, die den Attributen „rotzig, deep & fresh“ etwas  abgewinnen können, die der Klappentext direkt auf die Pupille flankt.

Ivo Trifunović – Fußballgott mit irdischen Problemen

Tonio Schachinger Nicht wie ihr Cover Verlag Kremayr und Scheriau

Vorhang auf, Bühne frei, Stadionbeleuchtung an für den Wiener Profifußballer Ivo Trifunović, um den der Debütroman sich dreht, vor allem aber, nach Meinung des Protagonisten, die Welt. Und wie könnte sie auch anders? Schließlich ist er besonders. War er immer schon. Nicht dieses ironische, „special kid“-besonders, sondern das richtige Besonders: also besonders cool, besonders talentiert, besonders attraktiv. Nachdem andere diese Eigenschaften zu fördern und er sie zu nutzen wusste, ist er jetzt also der, der er ist: Der Ivo. Der Trifunović. 27-jähriger, Bugatti fahrender Fußballgott. Einer der bestbezahlten Fußballer der Welt. Verheiratet und Familienvater – beides auch liebend gern. Doch als Ivos Jugendschwarm Mirna wieder auftaucht, schieben sich ein paar „eigentlichs“ in sein gesichertes Leben und bringen sein Weltbild ins Wanken. Wie koordiniert man eine Affäre, wenn man eigentlich keine Freizeit hat? Und beeinflusst das eigentlich seine Leistung auf dem Feld? Und was macht eigentlich seine Frau, wenn er nicht da ist?

Müller, Messi, Alaba – alle, alle sind sie da

Boateng, Müller, Arnautović, Alaba, Ronaldo, Messi, Real Madrid, FC Chelsea – Namedropping gehört zum Roman, wie Ernie zu Bert. Die Frage, ob Ivo Trifunović  tatsächlich auf irgendeinem Platz zu bewundern ist, ist also nicht abwegig. Nun ja: Ist er nicht. Aber er könnte es sein. So wie Tonio Schachinger seinen Protagonisten sich in ebenjenen Kreisen bewegen lässt und dies aus dessen Perspektive erzählt, wird nämlich genau dieser Eindruck von Realität vermittelt.  Da der Roman auch für Fußballverweigernde sein soll, machte es natürlich Sinn, würde er sich nicht nur um Fußball drehen. Achtung – Spoiler! Diese Sorge (oder, je nach Präferenz: Hoffnung) sei genommen: Er dreht sich tatsächlich nicht nur um Fußball. Zwar versteht sich der 27-jährige österreichische Autor Tonio Schachinger ausgezeichnet darauf, aber eben auch darauf, seinen Titel- und Pokalhelden als etwas komplexere Person zu zeichnen, denn nur als fußballatmenden und –denkenden Typ, und  auch empathischer und cleverer, denn einzig als grantelnden Sexisten mit wenig Sinn für homophoben Sprachgebrauch. Ivo Trifunović nämlich ist einer, der sich in seinem Bugatti auch Gedanken zu Themen macht, die nach Meinung vieler Funktionäre auf dem Platz nichts zu suchen haben, etwa Herkunft, Familie, Klassenzugehörigkeit oder Rassismus im Fußball.

Tonio Schachinger und die Gattung Fußballroman

Die vom Klappentext versprochene Deepness ist also, zumindest oberflächlich, da. Was ist mit der ebenfalls versprochenen Rotzigkeit? Aber ja, Oida. Wappler. Hurenkinder! Oarsch is!  Fut! Diese und andere Vokabeln, die es für besagtes Attribut braucht, hat das Buch zur Genüge. Opfer!

Und wie ist es um die Freshness bestellt? Naja. Sicher. Es ist ein Debüt. Der Autor 27 Jahre, die Gattung „Fußballroman“ keine bereits etablierte, die Sprache direkt und schnörkellos. Also fresh.

Auf jeden Fall macht „Nicht wie ihr“ weder etwas kaputt noch stört es. Und das ist doch schön. Die Kritik jedenfalls ist begeistert und das ist doch schon wieder schön, um nicht zu sagen, das ist ja wohl noch schöner! Neben deep, rotzig und fresh also auch noch nice.

Tonio Schachinger hat mit diesem Erfolg übrigens nicht gerechnet. Sein Verlag wohl auch nicht, sonst wäre die erste Auflage vermutlich höher ausgefallen. Nachdem der Titel es nun aber schon überraschend auf die Shortlist geschafft hat, warum nicht noch überraschender den Preis gewinnen? Weiß man ja: Das Spiel ist erst vorbei, wenn es vorbei ist. Gilt auch für den Deutschen Buchpreis.

Tonio Schachinger: „Nicht wie ihr“, Kremayr & Scheriau, Hardcover, 304 Seiten, 978-3-218-01153-2 22,90 Euro (Beitragsbild: credit www.detailsinn.at)

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