Parcels: Day/Night – Albumreview

Parcels by Remi Ferrante Hartman

Doppel-Album der australischen Wahl-Berliner Disco-Soul-Pop-Band Parcels

Die fünf Wahlberliner von Parcels haben so einiges hinter sich: Umzug von Australien nach Deutschland, kometenhafter Aufstieg, Lockdown-Bremse. Hinzu kamen persönliche Dramen wie verlorene Lieben, gebrochene Herzen, Sinnkrisen. Das Quintett entschloss sich, all das in Musik zu verarbeiten. Das Schöne und die Biester. Licht und Schatten. Oder eben Tag und Nacht. Parcels verteilen insgesamt 19 Songs auf zwei Albumseiten. Ein interessanter und kluger Schachzug, der voll aufgeht.

Warme Tage

Parcels Day Night Albumcover Virgin Universal Music

Der Day-Teil des Albums bietet Tanzbares, Euphorisches und Weltumarmendes. „Free“ ist der erste Aufhorcher, mit lässigen Percussion, Falsett-Gesang und Orchester-Finale. „Theworstthing“ paart gekonnt harten Funk-Groove mit mehrstimmigen Gesang. Ebenfalls zu empfehlen: das lichtdurchtränkte „Nowclaresomemore“, in dem Parcels ihr unglaublich feines Gespür für radikale Reduktion und grazilen Groove beweisen. Das Weniger ist mehr-Prinzip hat insgesamt an Gewicht gewonnen. Parcels spielen noch songdienlicher als in der Vergangenheit und polieren ihre Egos lieber im Kollektiv als solo im Scheinwerferlicht.

Kühle Nächte

Fast noch interessanter ist die Night-Seite dieser Veröffentlichung, weil sie zum Teil neue Seiten der Band zeigt. Schon die Titel verraten, in welche Richtung es geht: „Thefear“, „Shadow“, „Neverloved“, „Inside“. Die Band stellt sich ihren Dämonen, thematisiert schonungslos ihre Ängste und ihr Leid. Musikalisch wird das zum Teil bemerkenswert umgesetzt. In „Thefear“, das mit synkopiertem Beat und dröhnendem Bass wirklich düster daherkommt, gibt es in der Mitte des Songs eine rückwärtsgespielete Gesangsspur.

Der Rausch der Nacht mit Parcels

„Nightwalk“ nimmt sich 90 Sekunden Zeit für den Atmosphärenaufbau, bevor der Gesang einsetzt. Aus dem beklemmenden Nebel erscheint nach etwa dreieinhalb Minuten ein betrunkenes Jazz-Piano und führt den Song Takt für Takt in einen Latin-Groove. Klingt nicht nur seltsam, ist es auch. Und gleichzeitig so kurzweilig wie Musik sein sollte. Deutlich straighter, aber nicht minder eingängig ist „Reflex“, in dem vor allem die Zeile „Show Me The Way To Love“ hängen bleibt. Den Rausch der Nacht fängt vor allem der Album-Closer „Inside“ an. Alles hier torkelt und schleppt sich mühsam, aber glücksbetankt ins Bett. Die Gitarre surft, die Streicher jaulen, bis der Groove aussetzt. Socken aus. Decke drüber. Und noch eine Zigarette. Draußen ist es hell.

„Day/Night“ von Parcels erscheint am 05.11.2021 bei Virgin / Universal Music. (Beitragsbild von Remi Ferrante Hartman)

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