Monika Helfer: Die Jungfrau

Monika Helfer credit Minitta Kandlbauer

Mit lakonischer Sprache zeichnet Monika Helfer im autofiktionalen Roman „Die Jungfrau“ ein höchst sensibles Portrait einer ehemaligen Freundin

von Gérard Otremba

In ihrem 2021 veröffentlichten und von Sounds & Books rezensierten Roman „Vati“ verarbeitete Monika Helfer das Leben ihres Vaters in literarischer Form, nachdem sie zuvor in „Die Bagage“ bereits die Geschichte der Großeltern und der Mutter in den Fokus ihres Schreibens gerückt hatte. In dem autofiktionalen Roman „Die Jungfrau“ entfernt sich Monika Helfer aus dem familiären Umfeld, bleibt jedoch im näheren Bekanntenkreis und stellt den Lesern mit Gloria eine ehemals beste Freundin vor. Denn das waren die erzählende Monika und Gloria in ihrer Jugend der Spät-50er- und Früh-60er-Jahre ganz gewiss: beste Freundinnen. Und das trotz der extrem unterschiedlichen sozialen Herkunft der beiden. Während Monika in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, spielte für Gloria Geld keine Rolle, es war vorhanden.

Ein literarisches Denkmal

Monika Helfer Die Jungfrau Cover Hanser Verlag

Sie war eine schöne junge Frau mit einem Bridget-Bardot-Schmollmund einem hochaufgebundenen Rossschwanz. „Ein Spiegel war immer nicht weit. Nicht, damit sie sich darin bewunderte. Sie wusste, sie war eine junge Frau, die gut aussah.“ Gloria war auch angehende Schauspielerin und Trendsetterin, Monikas Vater fand sie „zauberhaft“. Im Schultheater überzeugte sie als „Ophelia“ und bestand mühelos die Aufnahmeprüfung für das Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Gemeinsam wären sie im Alter von 17 Jahren fast nach New York abgehauen, vielleicht zu Glorias unbekanntem Vater, vordergründig, um sich entjungfern zu lassen. Doch endete das Abenteuer aufgrund ihrer Minderjährigkeit bereits am Züricher Flughafen. Später trennten sich die Wege, man sah sich nur noch selten. Nun wendet sich Glorias Nichte mit einem Brief an Monika, denn Gloria liege im Sterben und möchte sie noch einmal sehen. So rollt Monika Helfer ihre gemeinsame Geschichte in verdichteter Form aus und errichtet Gloria ein literarisches Denkmal.

Monika Helfer und Michael Köhlmeier

Ein Denkmal aus Erinnerungen an eine denkwürdige wie schillernde, vor Lebenslust sprühende und in der Liebe vom Pech verfolgte junge Frau. Die das Vorhaben der Entjungferung in New York ad acta legen musste und sich dann in einen verheirateten Mann verliebte, der letztendlich vor den Konventionen einknickte und keine Affäre mit allen Konsequenzen anfing und seine Frau auch nicht für Gloria verließ. Helfer zeichnet ein höchst sensibles Portrait Glorias und spart auch nicht  mit autobiographischen Details. Nicht nur aus der Jugendzeit an Glorias Seite, auch ihre erste Ehe, die sie mit 20 einging und bei deren katastrophal endenden Hochzeit Gloria die Trauzeugin war, gerät in ihren Fokus. In ihren Gedankengängen zu Gloria bezieht Monika Helfer ihren Mann Michael Köhlmeier ein, was zu ganz wunderbaren Dialogen führt. Helfer überzeugt mit ihrer lakonischen Sprache, sie verwendet kein Wort zu viel, das Ausschmücken lässt sie sein. Und trifft damit mitten in die Seele ihrer Leser.

Verfolgt man Einträge zum Thema Literatur auf sozialen Medien, so scheint das autofiktionale Erzählen für einige Menschen out zu sein. Ist es aber nicht, solange Monika Helfer Bücher wie dieses schreibt, oder bevor Andreas Maier seine Wetterau-Chronik beendet hat.

Monika Helfer: „Die Jungfrau“, Hanser, Hardcover, 152, 978-3-446-27789-2, 22 Euro. (Beitragsbild von Minitta Kandlbauer)

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