Michael Köhlmeier: Frankie

Michael Köhlmeier 2021 credit Peter-Andreas Hassiepen

Michael Köhlmeier erzählt auf unprätentiöse Art eine Coming-of-Age- und Entwicklungsgeschichte aus der Sicht des 14-jährigen „Frankie“

Der 14-jährige Frank und seine Mutter leben in trauter Harmonie in Wien. Länger schon leben seine Eltern getrennt, die Bindung zur Mutter scheint eine unzertrennliche zu sein. Gemeinsam schauen sie die Millionenshow im Fernsehen und  am Sonntagabend gehört der „Tatort“ zum Pflichtprogramm für die Mutter-Sohn-Symbiose. Diese  wird jedoch auf die Probe gestellt, als Franks Opa nach achtzehn Jahren Haft aus dem Knast herauskommt. Franks 71-jähriger Großvater hinterlässt einen fidelen Eindruck und begrüßt seinen Enkel mit den unliebsamen Worten „Du bist Frank, ha! Frankie Boy, ha! Little Frankie Boy.“ Frank kann es nicht ausstehen, „Frankie“ genannt zu werden, genauso wie sein Opa es nicht mag, mit Opa angesprochen zu werden.

Das schwierige Opa-Enkel-Verhältnis

Michael Köhlmeier Frankie Cover Hanser Verlag

Es entwickelt sich eine Hassliebe zwischen den beiden, denn obwohl Franks Mutter, die ihren Vater am liebsten wieder im Gefängnis sähe, ihren Sohn vor seinem Großvater warnt, sucht Frank den Kontakt und erlebt in seinem Verwandten eine bisher so nicht gekannte, wenngleich zweifelhafte Vorbildrolle. In Gesprächen offenbart er ihm nicht selten die Brutalität der Welt und auf einem nächtlichen Ausflug mit einem geklauten Auto lernt Frank ein Stück weit die dunkle Seite seines Opas kennen. Seine Mutter offenbart ihm indes  das Familiengeheimnis des vor Jahren geänderten Nachnamens, um nicht in Verbindung mit der Missetat ihres Vaters gebracht zu werden und mit ihrem Sohn einen Neubeginn wagen zu können. Michael Köhlmeier glänzte zuletzt mit seinem 2021 veröffentlichten, 950 Seiten langen Epos über die sieben Leben des Katers „Matou“. Von der Opulenz und überbordenden Fabulierlust hat sich der österreichische Schriftsteller für „Frankie“ verabschiedet.

Michael Köhlmeier und der überraschende Twist

Auf lediglich 200 Seiten schlüpft er in seine titelgebende Figur, aus dessen Perspektive er die Geschichte erzählt und geht der, wie in früheren seiner Romane, nicht nur für ihn als Autor sich immer wieder stellenden Frage nach der Herkunft des Bösen nach. Die Art des großväterlichen Verbrechens lässt Köhlmeier im Dunkeln und konzentriert sich auf den Veränderungsprozess des Ich-Erzählers Frank. Dieser verläuft schleichend und erfährt am Ende einen durchaus überraschenden Twist, bei dem man sich als Leser fast wie in einem Krimi von Richard Stark wähnt. Mit den beiden Hauptpersonen lässt Michael Köhlmeier zwei zunächst diametral entgegengesetzte Charaktere aufeinander prallen. Aber der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm und am Ende sind sich Großvater und Enkel vielleicht doch ähnlicher als sie es sich zu Beginn vorstellen konnten. Ein unprätentiös erzählter, die Gedankenwelt seines jugendlichen, zwischen familiären Konventionen und dem inneren Aufbegehren changierenden  Protagonisten perfekt einfangender Coming-of-Age- und Entwicklungsroman.

Michael Köhlmeier: „Frankie“, Hanser, Hardcover, 208 Seiten, 978-3-446-27618-5, 24 Euro. (Beitragsbild-Credit: Peter-Andreas Hassiepen)  

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