Mark Lanegan: Alles Dunkel dieser Welt

Roh, brutal ehrlich, lehrreich: Man kommt Mark Lanegan und seiner Musik in der Autobiographie „Alles Dunkel dieser Welt“ ganz schön nahe

Problematisch waren nicht die Momente, in denen andere den Glauben an ihn verloren. Mark Lanegan blieb da meist gelassen. Er wusste, dass er mehr Leid ertrug als andere und dass seine Grenze weiter draußen verlief als die der meisten seiner Mitmenschen. Problematisch waren die Momente, in denen er sich selbst aufgab. Und davon gab es einige. Dass Lanegan noch immer hier ist, verdankt er der Tatsache, dass er einmal öfter aufgestanden als hingefallen ist. Das klingt plump, ist bei Betrachtung seines Lebensweges aber nicht weniger als ein kleines Wunder.

Eine schonungslose Beichte von Mark Lanegan

Mark Lanegan Alles Dunkel dieser Welt Cover Heyne Verlag

In „Alles Dunkel dieser Welt“ erinnert sich Lanegan an die Trennung seiner Eltern im Kindesalter. An die Schulzeit, in der er im Supermarkt Snickers, Milky Way und andere Riegel klaute, um sie anschließend an seine Mitschüler zu verkaufen. Daran, dass sein Vater ihm empfahl, sich mehr und härter zu prügeln, um sich aufs Leben vorzubereiten. An seine frühe Alkoholsucht. An die eisige Atmosphäre in Seattle. An die Tattoos, die er sich selbst stach, bevor er richtig lesen konnte. „Mit Zwölf war ich ein notorischer Zocker, Jungalkoholiker, Dieb und Pornofan“ schreibt Lanegan.

Da befinden wir uns gerade einmal auf Seite 14 dieses Buches. Was auf den folgenden rund 440 Seiten folgt, ist ein schonungslose Bericht über ein Leben in der Abwärtsspirale. Zwischen Drogen, Sex und Grunge mäandert Mark Lanegan durch die Jahre. Manche Geschichten sind erheiternd, andere erschütternd. Die Fülle an Anekdoten ist verblüffend. Zur Unterhaltung trägt auch bei, dass Lanegan schreibt wie er singt: schonungslos ehrlich, direkt aus dem Herzen und mit Sinn für Pointen.

Noch einmal ganz von vorne

Der Turning Point kommt auf dem Rasen einer Nervenheilanstalt. „Ich erkannte, dass mein ganzes Denken und Handeln das kaputte Gegenteil von dem war, was es hätte sein sollen.(…) Um zu überleben, um weiterzumachen, musste ich verdammt nochmal so ziemlich alles an mir ändern. Ich musste noch einmal ganz von vorne anfangen.“ Natürlich spielt auch Musik in diesem Buch eine zentrale Rolle. Von den ersten Tagen mit The Screaming Trees über die Schreibblockade bis hin zur mühsamen Rückkehr auf die Bühne als Solokünstler lässt Lanegan nichts aus.

Bei aller Gefasstheit schimmert doch auch etwas Wehmut mit, wenn er, der immer wieder mit Jim Morrison verglichen wurde, darauf schaut, was hätte sein können. Mark Lanegan wird vermutlich nicht als das Talent erinnert werden, das er in sich trug. Sein hier geschilderter Überlebenskampf und die Suche nach Erlösung aber ist tief beeindruckend und wirfst auch auf seine Musik noch einmal ein ganz anderes Licht.

Roh, brutal ehrlich, lehrreich: Man kommt Mark Lanegan und seiner Musik in diesem Buch ganz schön nahe. Es besteht die Hoffnung, dass wir davon noch viel hören können.

Mark Lanegan: „Alles Dunkel dieser Welt – Eine Autobiografie“, Heyne Hardcore, aus dem Amerikanischen von Nicolai von Schweder-Schreiner, Hardcover, 448 Seiten. 978-3-453-27344-3, 24 Euro. (Beitragsbild von Travis Keller / PIAS / Heavenly Records)

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