Mareike Fallwickl: Das Licht ist hier viel heller

Mareike Fallwickl by Gyöngyi Tasi

Ein thematisch vollgepackter neuer Roman von Mareike Fallwickl

Gerade mal anderthalb Jahre nach ihrem gefeierten Debüt „Dunkelgrün fast schwarz“, legt Mareike Fallwickl mit „Das Licht ist hier viel heller“ literarisch nach. Wie schon im ersten Roman, spielt Hallein, der Geburtstort der österreichischen Autorin, auch im zweiten wieder eine Rolle. Dort nämlich, in der kleinen Ortschaft unweit von Salzburg, verkriecht sich Maximilian Wenger: Im Präsens zweifacher Vater, im Präteritum Bestsellerautor, Lebemann, Macher, einer der Großen, Affären habender Ehemann. In seiner gemeinschaftlich mit ihm verwahrlosenden Junggesellenbude, kommen ihn lediglich noch seine Schwester und seine Kinder hin und wieder besuchen. Der Grat zwischen Pflicht und Kür ist bei Blutsverwandtschaft ein schmaler. Oder als Hashtag: #homeiswherethehurtis.

Analoges Buch zum Influenzen

Bitte? Wie meinen? Hashtag? Wozu das denn? Muss das sein? Dachte, das wäre `ne analoge Kiste? Sehr geehrte Aufgeregte, bitte beruhigen Sie sich. „Das Licht ist hier viel heller“ kommt ganz analog daher. So richtig mit Buchhaptik. Mit Seiten zum Blättern statt zum Wischen. Mit Duft nach Papier, statt nach warmlaufender Technik. Mit Buchrücken. Schutzumschlag. All den schönen analogen Buchsachen eben. Und dennoch spielen Hashtags im Roman eine Rolle.

Ein (Hash)Tag ohne Lächeln ist ein verlorener

Zum einen im Leben von Wengers Ehefrau, die ihn gegen einen deutlich jüngeren Fitnesstrainer eingetauscht hat und ihren Social Media kompatiblen #Lifestyle #likestylegemäß auf Instagram zelebriert. #justbecause #influencingfirst #itsallaboutthedigitalcrowd

Mareike Fallwickl Das Licht ist hier viel heller Cover Frankfurter Verlagsanstalt

Zum anderen auch im Leben der gemeinsamen, fast 18jährigen Tochter Zoey. Qua Geburtsjahr zwar Digital Native, setzt sie dem Wunsch ihrer Mutter, in deren #ohsoyummy – Instagram-Imperium einzusteigen ein aufrichtiges #fuckyou entgegen. Und auch der Literaturbetrieb des Vaters ist nichts für sie. Stattdessen plant sie ihre Zukunft nach ganz eigenen Vorstellungen (und Hashtags). Schnell merkt sie, dass sie dabei an ihre Grenzen stößt und ihre eigenen übertreten werden. Beistand leistet ihr vor allem Spin: jüngerer Bruder, Seelenverwandter, Freund und Partner in Crime in Personal Union. Seit der Kindheit spielen die Geschwister in ihrer beider Leben die Haupt- im Leben der Eltern eher eine Nebenrolle. Ständig war die Mutter nicht da und der Vater weg. Seit niemand mehr Wengers Romane lesen mag, ist er in seiner Junggesellenbude anders weg als er es sein wollte. Nämlich weg vom Fenster. Dann erreichen ihn diese Briefe. Eigentlich an seinen Vormieter adressiert, öffnet und liest er sie dennoch. Brutal sind sie und zart. Erschütternd, poetisch, wütend, geheimnisvoll. Vielmehr noch, als dass die Briefe ihn berühren, inspirieren sie ihn. Was Wenger nicht weiß: auch Zoey liest sie heimlich. Und auch sie berühren diese Briefe – ganz anders allerdings als ihren Vater. Beide werden an einen Scheideweg geführt, an dem etwas Altes endet und etwas Neues beginnt.  

#MeToo: Der zentrale Hashtag

„Das Licht ist hier viel heller“ ist ein vollgepacktes Buch, ist Familienroman, Künstler_innenroman, in Teilen Briefroman und ein wenig Coming-Of-Age-Roman. Es geht um Alltagssexismus und weibliche Selbstbestimmung, um Machtgefälle und -spiele, um sexuelle Übergriffe im Rahmen der #Metoo-Debatte und auch unabhängig davon, um den unter Optimierungswahn krankenden Influencer-Bereich sowie um die Arroganz des sich selbst am meisten feiernden Literaturbetriebs.

Mareike Fallwickl und die sozialen Medien

Dass die sozialen Netzwerke für die Autorin kein Neuland sind, wie es für Angela Merkel das Internet war, merkt man dem Roman an. Verifizieren lässt sich das leichterdings. Einfach mal auf Instagram nach Mareike Fallwickl suchen. Gemacht? the_zuckergoscherl gefunden? Und jetzt mal etwas runterscrollen zu einem Beitrag, den sie am 01. November, zwei Monate nach Erscheinen ihres  Romans, postete:

Mareike_Fallwickl_the_zuckergoscherl_Instagram
Das Licht ist hier viel heller: „Es wird ein gutes Buch. Du wirst schon sehen.“

Selbsterfüllende Prophezeiung

Und ja. Sieht man dann schon, dass es ein gutes Buch geworden ist. Dass Mareike Fallwickl verschiedene Erzählformen und -sprachen glaubhaft bedienen kann, dass ihr das Poetische ebenso nah ist, wie Influenz-Sprech und alter weißer Mann sowie nicht altern wollende weiße Frau – Vokabular; dass der Roman gesellschaftskritisch und trotzdem durchaus locker ist, das sieht man dann schon.
Wäre „Das Licht ist hier viel heller“ thematisch etwas weniger vollgepackt und mit zuweilen plakativen Botschaften etwas gespart worden, wäre das gute Buch vielleicht ein noch besseres. Schon klar, dass es bei Kritik nie gänzlich objektiv zugehen kann und sich manch‘ Verhalten der Charaktere äußerer Beurteilung entzieht, weil die Situation nicht selbst erlebt wurde und ohnehin ein verschiedener Umgang möglich ist, ohne dass einer richtig oder falsch wäre. Trotzdem scheint im Roman manches unfertig erzählt, zuweilen inkonsistent. So, als gelte es, schnell einen Deckel irgendwo drauf zu machen, um kurz noch unter einen anderen schauen zu können, bevor die letzte Seite erreicht ist. Deswegen bleibt es bei der selbsterfüllenden Prophezeiung vom guten Buch  –  #justsaying.

Mareike Fallwickl: „Das Licht ist hier viel heller“, Frankfurter Verlagsanstalt, Hardcover, 384 Seiten, ISBN 978-3627002640, 24 Euro (Beitragsbild von Gyöngyi Tasi).

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