Neun Music-Acts an zwei Tagen begeistern das Publikum beim Tastemaker Festival im Kukuun
Aufgrund der kurzfristigen Absage von Elis Noa spielten am Freitag, 02.02.2018 zwar nur vier Bands beim Tastemaker Festival im Hamburger Club Kukuun, doch verwöhnten Fluz, We Will Kaleid, Mele und Grundeis das Publikum mit starken Auftritten und Musik unterschiedlichster Couleur. Das Hamburg-Bielefelder Duo Fluz mit Nele Immer am Cello und Nils Rabente am Piano eröffnete den Abend mit einem Instrumental-Set aus zutiefst bewegenden, mit Jazz-Elementen versehenen, kammermusikalischen Kompositionen.
Fluz fangen mit ihrer Musik die in den Titeln implizierten Atmosphären perfekt ein. In „When It Rains“ hört man jeden Tropfen sachte ans Fenster klopfen, „Wasserfall“ indes wird mit tosenden und stürmischen Passagen versehen. Das alles ist schwer melancholisch, hoch emotional und „anspruchsvoll, aber trotzdem gut“, wie Moderator und Veranstalter André Itjes bemerkte. Musik für Leser schwermütiger russischer Romane und einem ausgeprägten ästhetischen Empfinden.
Das Festival nahm seine Fortsetzung mit der ebenfalls als Duo auftretenden Band We Will Kaleid aus Münster. Sängerin und Keyboarderin Jasmina de Boer und Schlagzeuger Lukas Streich entführten die Gäste in die Wunderwelt eines facettenreichen Electro- und Art-Pop mit experimentellen Soundeffekten. We Will Kaleid erzeugten häufig eine verwunschene Stimmung, die mal pathetisch-pompös, mal wehmütig (immerhin hatte das Duo den laut de Boer „traurigsten Weihnachtssong der Welt“ im Programm) und mal extravagant wie bei Björk klang. Eine durchdringende und überaus interessante Mixtur.
Anschließend rockte die Deutsch-Pop-Rock-Formation Mele aus Osnabrück das Haus. Das Quartett um die extrovertierte Sängerin Marlene Schittenhelm bringt ganz schön viel neuen Wind in den deutschsprachigen Pop. Ihre Texte sind originell, witzig und mit viel Gefühl für gelungene Wortspiele (siehe z.B. „Fischereisen“) ausgestattet. Die Musik von Mele groovt, rockt, hat funky Einschläge und catchy Melodien. Und einen mitreißenden Auftritt legten Mele dann auch noch hin. Der lohnte sich wahrscheinlich für die Band, denn den bekannte Musikproduzent Franz Plasa schaute vorbei und hinterließ sein Interesse an einer Albumproduktion. Wofür Tastemaker Festivals alles gut sein können!
Wäre Plasa noch etwas länger geblieben, hätte Grundeis womöglich auch noch sein Interesse geweckt. Aber vielleicht ist der melodiöse Indie-Psychedelic-Rock des seit einem Jahr zusammenspielenden Hamburger Quartetts nicht unbedingt sein Fachbereich. Ein klasse Konzert hat er trotzdem verpasst. Grundeis, bestehend aus Sängerin, Gitarristin und Keyboarderin Laura Müller, deren noch fast schüchterne, aber betörende Stimme in bester Folk-Tradition steht, Gitarrist Nils Pfannenschmidt, Bassist Homero Alonso und Schlagzeuger René Börner, erinnerten in leiseren Passagen an Fairport Convention, in rockigeren an Heron Oblivion. Überwältigende Rockmusik zum Hineinversinken. Eine große Hoffnung für die Hamburger Rockszene.
Am Samstag, 03.02., begann das Tastemaker Festival mit dem Auftritt der Band Leopatra. Das Hamburger Quartett mit Sängerin und Gitarristin Lea Baciulis als Frontfrau war genau der richtige Opener, um seine Gedanken weg von der tristen Winterkälte Deutschlands hin zu Strand und Wärme kreisen zu lassen. Der geschmeidige und zumeist verträumte, loungige und gelegentlich in Rock- und Funkgefilde ausbrechende Soul-Pop von Leopatra entwickelte einen angenehmen Flow, der teilweise wie The Blow Monkeys in den 80ern klang. Diverse Instrumentalparts zeugten von der technischen Versiertheit der einzelnen Bandmitglieder.
Einmal in die richtige Stimmung gebracht, legte die ebenfalls in Hamburg beheimatete Formation The Funktries nach und brachte die zahlreichen Gäste im Kukuun ins Schwitzen. Zu ansteckend war der Groove, den das Quintett, bestehend aus Sängerin Jean Cortis, Dina Lipowitsch (Banjo, Gesang), Mareike Petermann (Geige, Gesang), Lukas Mangelsen (Bass, Gesang) und Nils Braun (Schlagzeug, Gesang) verbreitete. Der Mix aus Funk, Soul, Country, Blues und Pop ließ die Tanzbeine en masse schwingen. Sie bezeichnen sich zwar als „Talkshow mit Instrumenten“ oder als „Selbsthilfegruppe“, aber eine, die wirklich Spaß macht und für gute Laune sorgt. „Groove For Breakfest“ heißt ihr Ende letzten Jahres veröffentlichtes Album, ein Groove, der zu jeder Tageszeit funktioniert.
Für einen Stilwechsel sorgte anschließend die aus Göteborg mit ihren Drummer angereiste Sängerin und Keyboarderin Annelie, die Songs aus ihrer aktuellen EP Teenager vorstellte. Ihr Electro-Ambient-Pop changierte zwischen nordisch unterkühlt, aber seelenvoll sowie zugänglich und tanzbar, mit viel hymnischem Pop-Appeal. Sie wurde zwar von einem plötzlichen Stromausfall überrascht, eroberte jedoch mit ihrem sympathischen Auftreten das Publikum im Sturm. Und ihre bombastische Black Sabbath-Coverversion von „Paranoid“ hätte auch Ozzy Osborne gefallen.
Enthusiastisch ging es mit dem Gig von Joseh in die nächste Runde des Tastemaker Festivals. Der in Hamburg lebende Songwriter trat in voller Bandbesetzung auf, sogar Harfe und Glockenspiel gehörten zum Instrumentarium. Joseh und Band spielten ein überschwängliches Set aus Urban-Folk-Rock-Country-Pop-Songs, samt Beatles-Hommage in „The Valley Of Deep Waters“. Wer das mitreißende Konzert verpasst hat, am 05.01. ist das Joseh-Album „Ephemeral“ erschienen.
Die angekündigte Wiener Formation Mary Broadcast fiel leider aus, kurzfristig sprang der Songwriter Elih, der zu später Stunde als Alleinunterhalter den Abschluss des Tastemaker Festivals bildete. Ursprünglich ist Elih Schlagzeuger, kam während eines Hawaii-Besuchs dazu, Ukulele zu spielen und brachte für seinen Gig im Kukuun noch eine Gitarre, gebaut aus einer Zigarrenbox, ein Didgeridoo, eine Maultrommel und eine Beatbox für die Specialeffekte mit. Und schöne Blues-Folk-Country-Soul-Gospel-Songs. Mit Elih fand das Tastemaker Festival 2018 ein feines Ende. (Beitragsbild: Mele by Gérard Otremba)
Danke für den schönen Bericht! Schön, dass du dir Zeit genommen hast, über das Festival zu berichten! Grüße aus Bielefeld
Hallo Gerard,
es war schön Dich kennengelernt zu haben und dann Dein Musikgeschmack (deckt sich teilwiese mit meinem) und Deine Berichterstattung der sehr verschiedenen Musikrichtungen (nicht jeder mach alles). Ich glaub man sieht sich noch wieder (auch bei TIDE und Andre Itjes).
Gruß – Hartmut „The Rockingman“ aus Hamburg (Fan aus der ersten Reihe)