Christine And The Queens: Paranoïa, Angels, True Love

Christine And The Queens credit Paul Kooiker

Für das neue Album „Paranoïa, Angels, True Love“ von Christine And The Queens sollte man etwas Zeit mitbringen. Es lohnt sich.

von Michael Thieme

Sein neues Triple-Album klingt sehr ambitioniert – im Aufbau, thematisch sowie von der ganzen Klangfülle her. Der einst als weiblich gelesene Chris gewann zwar 2015 bei der französischen Musikpreisverleihung „Les Victoires de la Musique“ noch den Preis als „beste Sängerin“, definiert sich seit 2022 jedoch als nicht-binär und bevorzugt männliche Pronomen. Sein neuestes Werk, das offiziell vierte (es gibt zum Teil unterschiedliche Variationen seines Erstwerkes sowie diverse EPs) ist ein Brocken, der thematisch eine Menge Verluste und Traumata aufarbeitet. Dabei hatte Chris zum Teil hochkarätige Unterstützung: Madonna herself veredelt drei Tracks mit reinen Spoken-Word-Performances und steht dabei für die göttlichen

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Eingebungen aus Engelskehlen; der neue Kritikerliebling und Rap- sowie Dancefloor-Star 070 Shake, selber lyrisch häufig auf den dunkleren Seiten der Existenz unterwegs, addiert ein bisschen Romantik bzw. Geilheit ins Geschehen.

Eine klangliche Urgewalt

Nicht denkbar in seiner klanglichen Urgewalt, die von Jan Jekal im Rolling Stone treffend als „Kathedrale aus Musik“ bezeichnet wurde, wäre das Werk jedoch ohne die Hilfe von Mike Dean. Nein, nicht der Bassist der Sludgerocker C.O.C. aus North Carolina, soviel Crossover ist dann doch nicht. Mike Dean, von Chris laut Jan Jekal als „Sensei“ bezeichnet, ist ein Produzent von diversen Hip Hop/R&B-Meisterwerken von z.B. 2Pac, The Weeknd oder Beyoncé sowie Arbeiten von Madonna oder Lana Del Rey. Der im Promozettel als „Synth-Gott“ bezeichnete Dean kann auch Gitarre, wie man an einigen Stellen hört z.B. bei „I Met An Angel“ oder dem, nicht nur an der Lauflänge festgemachten, Überstück „Track 10“.

Die Arbeitsweise war bei aller Opulenz anscheinend sehr basic – keine zweiten Versuche bei den Gesangsaufnahmen, erst danach wurde instrumental nachjustiert. Heraus kam eine Meisterleistung, bei der man Traditionen spürt wie den Geist Marvin Gayes, von Prince oder sogar Tangerine Dream sowie die Nachbarschaft zu R&B-Innovatorinnen wie z.B. Kelela.

Christine And The Queens faszinieren und verzaubern

Bei der Länge schleichen sich ab und an zwar auch ein paar weniger überwältigende Parts ein, nichtsdestotrotz bringt „Paranoïa, Angels, True Love“ alles mit für einen Anwärter auf einen vorderen Platz bei den Platten des Jahres. Er fasziniert, verzaubert und hinterlässt zum Teil dabei so viele wohlwollende Fragezeichen, dass man gar nicht anders kann als wieder und wieder einzutauchen in diese, ich zitiere nochmal aus Mangel einer treffenderen Bezeichnung, „Kathedrale aus Musik“.  Großes Kino.

„Paranoïa, Angels, True Love“ von Christine And The Queens erscheint am 09.06.2023 bei Because Music / Virgin Music. (Beitragsbild von Paul Kooiker)

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