BrhyM (Bruce Hornsby & yMusic): Deep Sea Vents

BrhyM Deep Sea Vents Cover

Wie man ein Frühwerk mutig abschütteln kann, beweist seit längerem der Ex-Poprocker Bruce Hornsby. Fluch oder Segen für sein neues Album?

von Werner Herpell

Wer Bruce Hornsby nur vom US-Nummer-eins-Hit „The Way It Is“ und dem gleichnamigen, Grammy-verzierten Album von 1986 kennt, muss jetzt ganz stark sein. Denn sein neues Werk „Deep Sea Vents“ hat nichts, aber auch gar nichts mehr mit jenem umweglos ins Ohr gehenden Piano-Poprock zu tun, der den US-Amerikaner vor knapp 40 Jahren weltweit den Mainstream erobern ließ.

Immer mutiger und kompromissloser

BrhyM Deep Sea Vents Cover

Was sich schon auf ungewohnt klingenden Vorgänger-Platten

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wie „Absolute Zero“ (2019) oder „‚Flicted“ (2022) andeutete, ist nun unbestreitbar: Hornsby wird auf seine alten Tage (dieses Jahr macht er die 70 voll) immer mutiger und kompromissloser, zusammen mit dem renommierten Kammerensemble yMusic tummelt er sich in Artpop-, Experimental-Folk- und Neoklassik-Regionen. Schon der seltsam zusammengefügte Projektname BrhyM, der wie ein walisisches Wort aussieht und den Protagonisten Hornsby im Kollektiv verschwinden lässt, macht die Absicht klar: Hier will sich ein Musiker bewusst von der eigenen „Adult Oriented Rock“-Vergangenheit lösen und unbeschwert seinen Neigungen folgen.

Dass dieser im November 1954 im Bundesstaat Virginia geborene Singer-Songwriter viel mehr drauf hat als süffige Klaviermelodien und eine angenehme Singstimme, bewies er allerdings schon früher mit stilistischen Seitensprüngen Richtung Bluesgrass, Jazz, Jam-Rock (mit Grateful Dead!), Orchester- und Filmmusik. Diese Offenheit führt jetzt auch auf „Deep Sea Vents“ zu einem künstlerischen Befreiungsschlag (oder aber, wenn man dem so drastisch von der „Middle of the Road“ abweichenden Weg nicht folgen mag, zu schwer zugänglichen Avantgarde-Sounds).

Verzicht auf klassische Pop-Refrains

Auf klassische Pop-Refrains wird in den zehn Songs also fast vollständig verzichtet. Eher sind es Klangmalereien mit Streichinstrumenten (Rob Moose an der Violine, Nadia Sirota an der Bratsche, Gabriele Cabezas am Cello), Bläsern (CJ Camerieri an Trompete und Flügelhorn, Hideaki Aomori an der Klarinette) und Flöte (Alex Sopp), über die Hornsby seine Piano-Instrumentalspuren und frei schwebende Vocals legt. 

Das klingt dann oft kunstvoll und ambitioniert, aber auch mal gewöhnungsbedürftig bis anstrengend („The Wild Whaling Life“, „Platypus Wow“, „Barber Booty“).  Man muss sich schon einlassen auf diese kühne Mischung, die viel näher bei Kurt Weill oder Tom Waits ist als an Bonnie Raitt, Don Henley oder Stevie Nicks, mit denen Hornsby auch schon zusammenarbeitete. Am ehesten geht die schöne Ballade „Foreign Sounds“ als Popsong durch.

Bruce Hornsby schwärmt über BrhyM

Der Singer-Songwriter äußert sich euphorisch über die Kooperation mit den Avantgardisten: „yMusic ist vielleicht die funkigste, groovigste Kammermusikgruppe im ganzen Land.“ Außerdem habe er im Track „Deep Blue“ nach dem Anything-goes-Motto sein Debüt als Electric-Sitar-Spieler gegeben – „zugegeben, ich habe einen begrenzten Tonumfang und nicht viel Talent, aber ich finde, es verleiht dem Song eine schräge, exotische und gefühlvolle Textur, warum also nicht?“ Auch das yMusic-Mitglied CJ Camerieri schwärmt, dass die Arbeit mit Hornsby „an unerwartete, virtuose und zeitgenössische Orte“ geführt habe.

Der Pianist und Sänger war mit yMusic bereits 2016 beim „Eaux Claires Music and Arts Festival“ (vor Bon Iver) aufgetreten – der Start für einen musikalischen Austausch, bei dem das Kammerensemble auch auf Hornsbys „Absolute Zero“ zu hören war und nun eine noch größere Rolle übernimmt. Mit „Deep Sea Vents“ sagt Hornsby unter dem Kollab-Alias BrhyM dem Mainstream-Pop womöglich für immer Goodbye: weniger Massen-Appeal also, dafür mehr künstlerische Relevanz und Herausforderung. Ein spannendes Spätwerk liegt vor ihm – und vor uns als Hörern mit offenen Ohren. 

Das Album „Deep Sea Vents“ von BrhyM (Bruce Hornsby & yMusic) erscheint am 01.03.2024 bei Zappo Productions/Thirty Tigers. 

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