„Arkhon“, das sechste Album von Zola Jesus, entwickelt Grower-Qualitäten und entfacht Vorfreude auf eine Live-Umsetzung
Manche Rezensionen schreiben sich fast von alleine – mit anderen tut man sich schwer, aus verschiedenen Gründen. „Arkhon“, das sechste Studioalbum (neben weiteren EPs, Splits sowie einer Live-Platte) von Nika Roza Danilova aka Zola Jesus ist so eines, zumindest für meine wohlwollenden Ohren. Grund dafür ist, dass „Arkhon“ nicht von vornherein überwältigt, wie es bei vielen ihrer bisherigen Veröffentlichungen der Fall ist; einen jedoch auch nicht enttäuscht oder gar angewidert zurück lässt. „Arkhon“ sowie die im Vorfeld veröffentlichten vier Single-Tracks davon laufen in diesem Haushalt seit Tagen in Dauerschleife auf der Suche nach Ösen oder Kanten, an denen man sich reiben kann und die mehr auslösen als ein Schulterzucken oder ein „Joah. Nicht übel.“
Zola Jesus und ihre Mitakteure
Verdeutlicht man sich den Umstand, dass „Arkhon“ nach einer heftigen Schreibblockade entstanden ist und sich Danilova für dieses neue Album neue Mitwirkende ausgesucht hat, klingt das sehr unfair – die klassisch geschulte Sängerin mit ihrer umwerfenden Stimme verlässt zwar nicht ihre selbst gebaute Nische zwischen Post-Punk, Gothic und Pop, schafft es jedoch mit Hilfe ihrer Mitakteure Matt Chamberlain (Drums, festes Mitglied in Tori Amos‘ Live-Band sowie Session- und Livedrummer bei Bob Dylan, Morrissey oder Robbie Williams) oder Randall Dunn (Co-Produktion, Keyboarder bei den großartigen Master Musicians Of Bukkake sowie Klangtüftler zwischen Ambient und Metal in Zusammenarbeit mit Myrkur oder Sunn O))) ) Variationen zu erschaffen, die eben nicht nach einem typischen Zola Jesus-Album klingen, was in jedem Fall anerkennenswert ist.
Vokale Ausdruckskraft, ohne anzugeben
Am ehesten noch könnte man „The Fall“ auf einem älteren Werk vermuten – viel Hall auf der Stimme wie auf der Percussion im wabernden Synthie-Nebel, dazu Soundeffekte aus der Geisterbahn oder einem Vampirspiel. „Undertow“ danach tritt so auf die Bremse, dass Danilovas „Wouuwhouuwou“ eher desinteressiert wirkt als mitreißend. In „Into The Wild“ tastet sie sich dann zurück, flüstert fast vor sanftem, aber opulenten Space-Sounds und zaubert mit ihrer vokalen Ausdruckskraft, ohne damit anzugeben. Anna von Hausswolff trifft Björk, wenn man so will. Überhaupt: das Vokale: Zola Jesus kann da sowieso fast alles, sie könnte Opern schmettern (was sie zum Glück nicht tut) – aber wie sie zwischen Popstar, Liedermacherin und Goth-Queen hin und her schaltet oder gar alles in einen Song packt, ist schon schwer beeindruckend, schon beim ersten Hören.
Zola Jesus kann auch Florence Welch und Adele
Dass sie bei „Desire“ dann auch mal die gesamte Range zur Schau stellt geht trotzdem noch als Understatement durch, wir befinden uns immerhin bereits bei Song Nummer Sieben. Vor reduziertem Piano gibt Danilova hier die Pop-Diseuse, ein bisschen Florence, ein wenig Adele. Kann sie alles. Beeindruckt jedoch (zumindest bis jetzt) nicht so wie die erwähnten Kolleginnen. Doch im Grunde ist mein Hauptproblem, dass ich nicht ausschließen kann, dass „Arkhon“ nach mehr Hörzeit vielleicht sogar ein Lieblingsalbum wird – „Grower“-Qualitäten sind bereits auszumachen, Songs wie das post-punkige „Sewn“ zum Beispiel offenbaren bei jedem Hörgang mehr Kraft und entfachen Vorfreude auf eine Live-Umsetzung. Am Ende landet „Arkhon“ dann vielleicht doch noch in den Bestenlisten, wenn sich das Album noch kompletter erschließt.
„Arkhon“ von Zola Jesus erscheint am 24.06.2022 bei Sacred Bones / Cargo Records. (Beitragsbild von Shervin Lainez)
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