Weyes Blood live in Berlin 2023

Weyes Blood live Berlin 2023 Festsaal Kreuzberg by Gérard Otremba Sounds & Books

Die US-Amerikanerin Natalie Mering alias Weyes Blood wird im Konzert in Berlin auch den höchsten Erwartungen gerecht

Steile These: Über die bezauberndste Stimme im aktuellen Indiepop verfügt derzeit (und wohl mit Langzeitwirkung) die US-Amerikanerin Natalie Mering alias Weyes Blood. Wobei die These dann doch nicht so steil ist, wenn man ihr neuestes Album gehört und jetzt auch noch ihre umwerfende Konzert-Performance erlebt hat. Im mittelgroßen, restlos ausverkauften Berliner Traditionsclub Festsaal Kreuzberg gastierten Weyes Blood (Gesang, Akustikgitarre) und ihre vierköpfige Band an diversen Keyboards, E-Gitarre, Bass und Schlagzeug am 28.01.2023 mit einem überwältigenden Gig.

Ein kathedralengroßer Sound

Die in gut 80 Minuten präsentierten 14 Songs deckten zu großen Teilen das auf vielen Jahresbestenlisten für 2022 geführte Album „And In The Darkness, Hearts Aglow“ ab, der ähnlich starke Vorgänger „Titanic Rising“ von 2019 wurde mit einer Handvoll Tracks ebenfalls ausgiebig gewürdigt. Und wer befürchtet hatte, dass die Opulenz dieser beiden Platten sich live wohl kaum angemessen reproduzieren lasse, sah sich angenehm überrascht – der Sound war auch im Konzert kathedralengroß.

Schon der Support-Act Sam Burton hatte keinen Zweifel gelassen, dass dieser denkwürdige Abend eine große Feier des 70er-Jahre-Songwriter-Pops werden würde. Als sängen John Denver oder Roy Orbison mit Emmylou Harris oder Joni Mitchell – so in etwa klangen Burton und Haylie Hostetter alias Lady Apple Tree in ihren herzerweichenden Harmony-Vocals. Wobei die talentierte Sängerin ihrem Partner mit der Coverversion von “Didn’t Wanna Have To Do It“ (The Lovin‘ Spoonful, 1966) fast die Schau stehlen konnte.

Die Bühne war also bestens bereitet für Weyes Blood und ihren prachtvollen Mix aus Indie-Folk, Dream-Pop und Songwriter-Balladen. Wohl selten hat eine noch junge Musikerin zuletzt so viele Superlativ-Vergleiche auf sich gezogen wie Mering: von der erwähnten Folk-Göttin Joni Mitchell über Carole King und Aimee Mann bis zu – was das Live-Charisma betrifft – Kate Bush oder Björk. Und die 34-Jährige aus dem kalifornischen Santa Monica „lieferte“ in Berlin.

Weyes Blood lässt Lana Del Rey zittern

Im langen weißen Elfen-Kleid, mit bedächtigen, effektvollen Bewegungen und vor allem mit einer enorm flexiblen, voluminösen Altstimme ließ Mering von Anfang an keinen Zweifel, dass hier ein Indie-Popstar heranreift, der einer Lana Del Rey oder Taylor Swift mindestens ebenbürtig ist. Aktuelle Lieder wie das schmerzhaft schöne „It’s Not Just Me, It’s Everybody“, „Grapevine“ oder „Hearts Aglow“, aber auch älteres Material wie „Something To Believe“ oder „Movies“ sind eben nicht nur extrem gut geschriebene und im Studio wunderbar üppig ausgepolsterte Tracks – sondern gerade auch im Konzert zutiefst berührend.

Erst recht auf einer Bühne, die überwiegend dunkelblau und blutrot (die Farben der jüngsten Albumcover von Weyes Blood) und ansonsten fast nur von sechs großen Kandelabern illuminiert war. Mering ist sich der Wirkung ihrer warmen Stimme bei aller Bescheidenheit sehr bewusst, sie weiß sich im Konzert durchaus zu inszenieren.

Als die Musikerin kurz vor Schluss von der kleinen Erhöhung des Drumkits herunterhüpfte, dachte man tatsächlich kurz: Jetzt hebt sie ab in höhere Sphären… Zum Glück landete Mering dann doch wieder auf dem Boden. Und bleibt uns hier unten als wundersame Indiepop-Märchenfee erhalten. Euphorischer Jubel von Anfang bis Ende eines großen Auftritts.

(Fotos von Gérard Otremba)

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Kommentare

  • <cite class="fn">Olaf Römer</cite>

    Eine gar nicht mal übertriebene Kritik, Hr. Otembra!
    Zunächst war ich mächtig enttäuscht von der schrecklichen Halle, ch war erstmailig seit dem Brand von 2013 nur einmal zu Paul Banks von Interpol alten Festsaal Kreuzberg.
    Der Kontrast hätte nicht größer sein können zu dem Konzertsaal, wo ich Natalie ihren zwei Auftritten vor Berlin erleben durfte, am 8.+9. Dezember ’22 im Ace Theatre, LA.
    Eine eher glamuröse Gotik-Katredrale, ein ehemaliges Stummfilm-Theater von 1927. – Doch trotz ‚jetlag‘ wirkte sie in Berlin frischer, energischer + lustiger als in LA, empfand ich es. Vielleicht lag es auch an der kürzeren Entfernung zur Bühne. Und, welch großartiger Sound mit dieser hochprofessionellen Band. Man bedenke mal diese teilweisen hochkomplexen Rhythmen und Tempiwechsel, welche souverän gemeistert wurden.
    Ja, es stimmt, wir werden sie wohl nie wieder in solch kleinem Rahmen erleben dürfen, da sie mittlerweile recht populär wird.
    Allerdings, sie vermutlich wird und will sie nie so kommerziell zugänglich sein wie die genannten Damen, Lana Del Ray, Taylor Swift, Kate Bush, Björk, weil
    1. sie auch herrlich unprofessionell ehrlich ist und sie nicht, oder ihr Label an einem Image-Profil arbeitet,
    2. die Songstrukturen zu komplex und damit für das ganz große Publikum nicht eingängi genug werden – es sei denn, sie ändert ihr Songwriting und ihre Produktionen gewaltig
    3. sie einmal in einem Interview erwähnte, daß sie ihre Aufgabe sei, sich gegen den sog. ‚mainstream‘ zu richten.

    Ein Glücksfall für uns, also!

    Danke für die guten Photographien! Ich habe nämlich keine vom Konzert, ich besitze nicht einmal ein Smartphone…

    LG
    Olaf

    • <cite class="fn">Gérard Otremba</cite>

      Vielen Dank. Wobei die Kritik, der ich mich anschließe, von meinem Kollegen Werner Herpell stammt, ich bin für die Fotos verantwortlich. Und ja, so große Hallen wie die Lanas und Taylors dieser Welt wir Weyes Blood dann hoffentlich doch nicht bespielen, ich ihr aber jeglichen Erfolg für ihre Musik gönne. LG, Gérard

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