The Hives bringen das ausverkaufte Kölner Carlswerk Victoria in gewohnt energiegeladener Manier zum Kochen
Text und Fotos von Ben Kaufmann
Eng gewundene Straßen. Postapokalyptische Szenerien. Das urban-industrielle Labyrinth führt einen eher zufällig zur Destination. Für einen hiesigen Spätsommer immer noch schwüle Wetterlagen verleiten zum Barfußlaufen. Vorbei an der Wächterin der ‚wahren Liebe‘ begeben sich etliche Pilger in die Tiefen des Carlswerks; denn sie alle sind auf der Spur einer längst ausgestorben geglaubten Spezies: dem Tyrannosaurus Hives. Wenn schwarze Ninjas den Rockaltar bestücken, während aus den Lautsprechern eine Playlist zwischen 50’s Rock’n’Roll und 60’s Garage zur Einstimmung ertönt, so verspricht jene Spur eine heiße zu sein.
Bratakus und The Hives
Sollte jemand auf der Suche nach einem heilenden Kaltgetränk die Orientierung verloren haben, weisen die schottischen Cuinn-Schwestern – genannt Bratakus – den Weg mit brachialem Hardcore Punk zurück zur Kultstätte. In einem kleinen Dorf nahe der Highlands aufgewachsen, ließen die beiden sich nicht von dem Umstand abhalten, dass vor Ort kein drittes Bandmitglied zu finden war und spielen daher mit einer Drum Machine. Die beiden machen keinen Hehl daraus, dass sie es selbst kaum abwarten können die Hives live zu sehen.
Die stetig ansteigenden Temperaturen lassen die nächste Wartezeit ein wenig fiebrig erscheinen. Erlösung verspricht das im Halbdunkel ertönende Intro von “Bogus Operandi“ – der ersten Single des größtenteils etwas hölzern geratenen neuen Albums – zu dem die Hives nun nach und nach auf die Bühne schreiten. Die skelettartigen Anzüge – in für die Band typischem Schwarz-Weiß gehalten – kennt man bereits aus dem gleichnamigen Musikvideo von Aube Perrie.
The Hives are sharks
Auf den Klassiker “Main Offender“ folgt ein weiterer, den Sänger Howlin‘ Pelle Almqvist getreu dem Songtitel mit einem ‚Idiot Walk‘ durch die ersten Publikumsreihen verbildlicht. Den schnelleren, an Highschool Punk erinnernden Rhythmus von “Good Samaritan“ kontrastiert die Band mit einem mittlerweile schon berüchtigten Stage Freeze.
Erstaunlich zu sehen mit welchem Drive die Band ihre Hymne “Hate to Say I Told You So“ nach mehr als 20 Jahren noch auf die Bühne bringt. „We’re sharks. […] You have no need for development if you’re a shark. You don’t evolve since nothing kills you.“ Howlin‘ Pelles bewusst überspitzte Einschätzung mag auf die seit jeher energiegeladenen Liveauftritte der Hives zutreffen. Die musikalische Entwicklung ihrer Alben hat jedoch nach den ersten drei weitestgehend eine entgegengesetzte Richtung eingeschlagen. Eine erfrischende Ausnahme – auf dem neuen Album wie auch live – bildet der kurze wie griffige Hardcore Song “Trapdoor Solution“.
„Nobody does it better!“
Als nicht erfüllte Songwünsche ein Raunen im Publikum auslösen, entgegnet der Frontmann in bekannt sarkastischem Ton: „Anybody having a fucking problem?“ Das inzwischen tropische Hallenklima lässt nicht nur die umherwirbelnden Zuschauer in einem Schweißbad zurück; auch einige Bandmitglieder entledigen sich ihrer Sakkos. Der “Countdown to Shutdown“ wird durch Almqvists wilde Aufforderungen von seinem Lautsprecherthron dirigiert, im Zuschauerraum schließlich mit ekstatischen Bierduschen besiegelt.
Zugaben lassen nicht lange auf sich warten. “Come on!“ und “Tick Tick Boom“ verlangen nochmals alles ab. Bei letzterem fordert Howlin‘ Pelle die Zuschauer zur kurzzeitigen Ruhe auf, welche im Kontrast zur vorherigen Lautstärke gespenstisch daherkommt. Den Schlusspunkt setzt Rhythmusgitarrist Vigilante Carlstroem mit einem endlos brummenden Reverb. Dass sich die Band nun in einer Haltung zwischen Ironie und Selbstverliebtheit zu dem Klang von Carly Simons “Nobody Does It Better“ feiern lässt, macht aus der ursprünglich heißen eine sichere Spur: die Hives leben noch.