Robert Howard alias Dr. Robert von The Blow Monkeys im Interview

Robert Howard credit Virginia Turbett

„Man hört, dass wir Spaß hatten“: Ein Sounds & Books-Interview mit Robert Howard (61) alias Dr. Robert, Frontmann der 80er-Jahre-Popband The Blow Monkeys

Robert Howard (61) alias Dr. Robert, ist Frontmann der 80er-Jahre-Popband The Blow Monkeys und bis heute ein renommierter britischer Singer-Songwriter unterschiedlicher Stilrichtungen. Das erfolgreichste Blow-Monkeys-Album „Animal Magic“ von 1986 wird am 27.01.2023 von BMG als 4-CD-Deluxe-Edition mit raren Demos, Single-Versionen, Remixes und B-Seiten wiederveröffentlicht, außerdem als Limited Edition White Vinyl LP.

Die Lage und die Stimmung im Großbritannien der Margaret Thatcher waren Mitte der 80er-Jahre mies. Die gleichermaßen zum Tanzen und zum Nachdenken auffordernde Popmusik der Blow Monkeys war es hingegen nicht, sie klang lässig und funky und gesellschaftskritisch. Frontmann Dr. Robert machte ein paar Jahre lang alles richtig mit seinem britischen Quartett, er trug coole Klamotten, kannte wichtige Leute wie Paul Weller oder Curtis Mayfield, schrieb engagierte linke Texte und mitreißende Melodien. Nach dem Ende seiner (2007 nachhaltig wiedervereinigten) Band blieb Robert Howard ein hoch geachteter Sänger und Songwriter, der auch dem Folk, dem Blues und dem Gospel frönte. Ein Interview mit einem Musiker, der zeitweise ein Popstar war und dann bewundernswert konsequent machte, wonach ihm der Sinn stand. Zuletzt erschien von den Blow Monkeys die sehr empfehlenswerte Platte „Journey To You“ (2021) und von Howards Projekt Monks Road Social das tolle Album „Rise Up Singing!“ (2022).

Mister Howard oder Dr. Robert – wie spreche ich Sie an, was ist Ihnen lieber?
Robert Howard: Am besten einfach nur Robert.

Okay, dann haben wir das geklärt. Robert, wie geht es Ihnen, und wo treffe ich Sie gerade an?
Robert Howard: Mir geht’s sehr gut. Ich spreche von meinem Haus aus, in Spanien, genauer gesagt Andalusien. Ich lebe hier schon 20 Jahre, und ich genieße es. Bessere Stimmung, besseres Wetter als in Großbritannien, eigentlich alles besser hier. Obwohl es in Schottland, wo ich geboren bin, natürlich wunderbar ist, mit vielen netten Menschen.

Eine besondere Platte für Robert Howard und The Blow Monkeys

Also, Robert, erstmal Danke für dieses Interview mit einem Pop-Helden meiner Jugend. Und das hat viel mit „Animal Magic“ zu tun. Als ich dieses Album 1986 entdeckte, war ich total hingerissen, habe viel zu Ihren Songs getanzt und auch danach nie den Kontakt zu Ihrer Musik verloren. Wie geht es Ihnen mit dem Re-Release von „Animal Magic“ über 30 Jahre später?
Robert Howard: Ich freue mich sehr darüber, dass BMG „Animal Magic“ jetzt neu auflegt. Wir machen zwar immer wieder neue Alben, spielen aber von dieser Platte live noch Songs. Sie war etwas Besonderes für uns, über die Single „Digging Your Scene“ kamen viele Leute uns näher. Für 30 Jahre hatte ich das Album nicht mehr gehört und musste mich für die neue Version jetzt wieder damit befassen. Und ich mochte es immer noch, es klingt irgendwie immer noch frisch.

Ja, man ist immer noch begeistert vom Glamour, der Funkiness, der Produktionsweise dieser Platte. Sie ist für meinen Geschmack gut gealtert. Stimmen Sie zu?
Robert Howard: Ja, würde ich auch sagen. Weil das ein richtiges Band-Album ist. Das nächste, „She Was Only A Grocer’s Daughter“, ist dagegen sehr 80s-mäßig und klingt daher doch betagt mit seinen Linn-Drums. „Animal Magic“ hat tolle Streicher und Bläser, es klingt einfach frisch. Man hört, dass wir begeistert von der Studioarbeit waren. Wir hatten ja ehrlich gesagt vorher gar nicht erwartet, nach „Limping For A Generation“ ein zweites Album machen zu können. Also man hört, dass wir Spaß hatten und in guter Stimmung waren.

Soul als Teil der DNA von Robert Howard

Wie kam es denn 1985/86 zu der stilistischen Verwandlung der Blow Monkeys – von New Wave und Glamrock wie bei Marc Bolan zu weichem Soul und treibendem Funk?
Robert Howard: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Die Songs vom Debüt „Limping For A Generation“ waren unsere ersten, das machte ihre Ausstrahlung aus. Vor „Animal Magic“ hatte ich dann wieder viel Kontakt zu Soul-Musik. Ich war ja in einer Art Northern-Soul-Stadt aufgewachsen, meine Schwestern hörten Motown-Musik der Sixties oder Bacharach & David. Mit neun Jahren lernte ich „Band Of Gold“ von Freda Payne kennen, eines meiner absoluten Lieblingslieder. Soul ist also Teil meiner DNA. Und irgendwann merkte ich eben, dass das zu meiner Stimme und zu meinem Songwriting  passte – neben Bands wie Laughing Clowns oder Love. Also eine Mixtur. So sehe ich das zumindest heute im Rückblick. Damals habe ich kaum darüber nachgedacht, ich war dafür zu beschäftigt mit Schreiben, Spielen und Aufnehmen. Ich habe das damals nicht so analysiert.

Ich erinnere mich, dass man Ihre Musik mal „Blue-Eyed Soul“ nannte. Haben Sie diesen Begriff gemocht?
Robert Howard: Nein, denn wir haben keinen Blue-Eyed Soul gemacht. Ich habe auch mal den Begriff „Sophisti-Pop“ gesehen. Da weiß ich überhaupt nicht, was das sein soll, und habe damit auch nichts am Hut. Ich konnte nie so genau beschreiben, was wir machen.

„Digging Your Scene“ war Ihr Durchbruchs-Hit. Was führte zu diesem sehr ansteckenden Dancefloor-Song, der wie für die Discos gemacht schien?
Robert Howard: Also damals ging ja die Aids-Krise los. Die britische Regierung veröffentlichte jede Menge furchterregende Geschichten, es gab viele Falschinformationen. Ich war ein großer Unterstützer der Gay-Community, ohne selbst schwul zu sein, ging in diese Clubs, hatte viele Freunde in der Szene. Das war dann die textliche Inspiration des Songs. Und die Musik war natürlich vom Soul beeinflusst, von Marvin Gayes „Let’s Get It On“ oder „Sexual Healing“.

Die Liebe zum Doo-Wop

Das Album insgesamt war stilistisch sehr unterschiedlich, von Soul und Funk über Pop und Balladen bis zu einem Doo-Wop-Song mit Barbershop-Vocals. Galt da das Motto „Anything goes“?
Robert Howard: Ja. Ich habe zum Beispiel Doo-Wop immer geliebt. Oder auch Cowboy-Songs. Ich wollte das Album einfach so interessant und abwechslungsreich wie möglich gestalten.

Wenn Sie das Album heute wiederhören: Welche Songs mögen Sie immer noch, und welche würden Sie gern mal neu aufnehmen?
Robert Howard: Ich mag „Forbidden Fruit“ sehr gern. Das spielen wir jetzt auch wieder live. Ich finde „Aeroplane City Love Song“ gut, auch „I Really Died Laughing“. Weniger mag ich „Don’t Be Scared Of Me“, daraus wollten wir unbedingt eine Single machen, obwohl es keine war. Mit „Wicked Ways“ war ich auch nicht besonders glücklich, obwohl wir es heute gern live spielen. Ich wünschte, wir hätten (die Ballade) „Heaven Is A Place…“ als zweite Single rausgebracht, um radikaler zu sein gegenüber unserem Pop-Publikum. Aber insgesamt funktioniert das Album.

Erzählen Sie uns bitte etwas über die Band The Blow Monkeys mit Neville Henry an Saxofon und Keyboards, Mick Anker am Bass und Tony Kiley am Schlagzeug. Wie haben Sie sich getroffen, wann verloren Sie in den 90ern den Kontakt, wie kamen Sie 15 Jahre später wieder zusammen?
Robert Howard: Als ich 1981 aus Australien nach England zurückkehrte, beantwortete ich eine Anzeige im „Melody Maker“ und traf Neville. Innerhalb einer Woche bildeten wir eine Band, in der ich der Sänger war. Kurz danach kam Mick dazu. Diese beiden kenne ich also seit 1981. Mit unserem Plattendeal fanden wir Tony, einen Waliser, der auch die jazzigen Sachen drauf hatte. Wir spielten dann viele Gigs, wir machten das erste Album, hatten als unbekannte Band echt zu kämpfen.

Wir hatten aber nie Streitereien, obwohl es manchmal schwierig war – es gab eben eine enge Verbindung zwischen uns. Selbst als wir uns 1990 trennten, taten wir das als Freunde. Daher konnten wir auch 15 Jahre später ohne jedes Zögern wieder zusammen Musik machen. Wir hatten inzwischen alle die Erfahrung von Familie und Kindern gesammelt. So kamen wir gemeinsam zurück. Tonys Frau wurde dann sehr krank, er musste uns verlassen, und für ihn kam 2017 Crispin Taylor als Schlagzeuger, ein enorm funkiger Drummer. Also: Es gab nie böses Blut.

Viele Gründe für den Split

Auf „Animal Magic“ folgten bis 1990 drei erfolgreiche Alben der Blow Monkeys, sogar ein Duett mit der Soul-Ikone Curtis Mayfield. Sie waren damals ein Popstar und ein hochrespektierter linker Künstler. Dann ging  es mit den Blow Monkeys zu Ende. Waren Sie das Rampenlicht damals einfach leid?
Robert Howard: Ich war ja nie ein so erfolgreicher Popstar, dass ich nicht mehr auf die Straße gehen konnte, das wollte ich auch gar nicht sein. Aber die Band war irgendwann am Ende der Fahnenstange, und unser Vertrag mit RCA löste sich auf. Ich ging mit meiner Frau und meiner jungen Familie nach London, und ich wollte musikalisch was Anderes machen, meine Batterien wieder aufladen. Es gab also viele Gründe. Die Szene änderte sich ja auch: The Stone Roses, The Happy Mondays, danach Britpop – ich wollte damit nicht konkurrieren, sondern was Anderes ausprobieren.

Dann kam ja auch wirklich was Anderes: „Realms Of Gold“, ein Soloalbum mit Folk, Blues und Gospel, das Fans von „Digging Your Scene“ überraschte. Haben Sie Ihre Vergangenheit als Soul-Mann damals bewusst hinter sich gelassen?
Robert Howard: So habe ich es nicht gesehen. Ich wollte einfach ausdrücken, wo ich zum damaligem Zeitpunkt als Musiker stand. Wenn ich einen großen Plan gehabt hätte, wäre ich wohl erfolgreicher gewesen, aber so ticke ich halt nicht. Als ich mit „Realms Of Gold“ durch Folk-Clubs tourte, waren die Leute tatsächlich überrascht, dass ich überhaupt akustische Gitarre spielen konnte. Für die war ich der Popstar, der Poser. Das war ein bisschen schräg, aber ich habe zehn Jahre und über mehrere Soloalben einfach gemacht, wozu ich Lust hatte.

Reunion und neue Alben

Dann ging es vor 15 Jahren mit den Blow Monkeys weiter.
Robert Howard: Ja, auf meine Anfrage hin. Als die Kinder größer geworden waren und sich vieles weiterentwickelt hatte, wollte ich gern wieder in einer Band sein. Wir hatten diese gemeinsame Geschichte – warum sollten wir es nicht nochmal versuchen? Wir wollten aber neue Musik, neue Platten machen, denn ich hatte keine Lust, nur ein Nostalgie-Act zu sein. Natürlich spielen wir jetzt auch noch ein paar alte Songs, aber wir haben inzwischen sechs neue Alben aufgenommen. Alles ganz organisch, in Ruhe gewachsen – kein Bullshit. Einige dieser Alben gehören zu meinen besten.

Vor einigen Jahren kam ein neues Projekt hinzu, das lockere Bandkollektiv Monks Road Social auf dem Label Wonderful Sound. Eine tolle Kollaboration jüngerer und älterer Musiker. Könnte das die Zukunft des Dr. Robert sein – als Sänger, Songwriter, Instrumentalist, Produzent, Inspirator für Talente?

Robert Howard: Ich genieße das. Es war ja auch ein Weg, Leute dazu zu bringen, meine Lieder zu covern. Ich konnte meine Kontakte nutzen und eine Art Guide sein. Wir haben inzwischen vier Alben mit Monks Road Social draußen, das neueste heißt „Rise Up Singing!“ und ist meiner Meinung nach echt stark. Das hat mich wieder zum Fliegen gebracht, und ich hoffe, da kommt noch mehr. Aber da ich nicht mehr trinke, mehr Energie habe als je zuvor, kann ich mir auch noch andere neue Projekte vorstellen.

Robert Howard und Paul Weller

Paul Weller kennen Sie ja schon seit den 80ern, seit seiner Zeit bei The Style Council. Woraus besteht Ihre ganz besondere Beziehung?
Robert Howard: Ich habe ihn zuletzt nicht mehr so oft gesehen. In London lebten wir zeitweise Tür an Tür, auch unsere Kinder sahen sich. Wir trafen uns schon 1984 bei den Aufnahmen von „Limping For A Generation“ in den Solid Bond Studios, danach bei (der linken britischen Bewegung) Red Wedge. Wir wurden gute Freunde und sind es noch immer. Er ist sehr lustig, wirklich sehr lustig. Nicht immer leicht zu nehmen, aber wir kennen uns halt gut. Ich mag den Jungen. Und Paul ist natürlich ein absolut fantastischer Musiker. Auch auf dem neuen Album von Monks Road Social singt er mit, und er ist großartig.

Nun noch eine Bitte von mir: The Blow Monkeys waren immer eine tolle Live-Band, wie ich mich aus Konzerten in Deutschland und Paris in den 80er erinnere. Kommen Sie doch bitte mal wieder her.
Robert Howard: Sehr gern, ich warte nur auf Einladungen, Sie können uns dabei helfen. Wir spielen häufig in Spanien, demnächst auch wieder bei Festivals. Ich mochte es immer, in Deutschland aufzutreten, die Gigs in Düsseldorf, Frankfurt, Mannheim oder Berlin waren klasse. Ja, ich liebe es heute mehr denn je, live zu spielen.

Allerletzte Frage: Dr. Robert – stammt Ihr Künstlername eigentlich von diesem Beatles-Song aus dem berühmten Album „Revolver“?

Robert Howard: Nein, als ich darauf kam, kannte ich den Beatles-Song noch nicht einmal. Ich war erst 18 Jahre alt, und ich dachte: Jeder muss halt einen coolen Namen haben. Hätte ich besser anders gemacht – jetzt klebt der Name an mir wie Schlamm.

“Animal Magic“ von The Blow Monkeys erscheint am 27. Januar 2023 bei BMG als 4-CD-Deluxe-Reissue mit raren Demos, Single-Versionen, Remixes und B-Seiten, außerdem als Limited Edition White Vinyl LP. (Beitragsbild von Virgina Turbett)

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