Percival Everett: James

Percival Everett credit Dan Tuffs Alamy Stock Photo

Mit dem National Book Award 2024 ausgezeichnet: Percival Everett erzählt die Geschichte des Sklaven Jim au Twains „Huckleberry Finn“

von Gérard Otremba

Ende November erhielt Percival Everett für „James“ den National Book Award 2024. Völlig zu Recht und auch seine beiden anderen, bisher im Hanser Verlag veröffentlichten und von Nikolaus Stingl kongenial ins Deutsche übersetzten und von Sounds & Books rezensierten Romane „Erschütterung“ sowie „Die Bäume“ hätten diesen Literaturpreis verdient. In „James“ greift Percival Everett auf Mark Twains Story von „Huckleberry Finn“ zurück und erzählt sie aus der Sicht des Sklaven Jim, der bei Everett James zu James wird. Everetts Anliegen ist es nicht, die literarische Vorlage umzudichten. Vielmehr erweitert der 1956 in Georgia geborene Schriftsteller die Perspektive des 140 Jahre alten Klassikers.

Sklaven-Slang

Percival Everett James Cover Hanser Verlag

War schon Huck Finn eine Außenseiterfigur par excellence, ist es sein Wegbegleiter Jim umso mehr. Während Finn vor seinem gewalttätigen Vater, der vielleicht gar nicht sein Vater sein könnte, flieht, macht sich Jim aus dem Staub, als er von seiner Besitzerin verkauft werden soll. Gemeinsam, und nicht zuletzt auf einer Floßfahrt auf dem Mississippi, erleben sie so unterhaltsame wie gefährliche Abenteuer. Als entflohener Sklave riskiert Jim sein Leben und muss immer auf der Hut sein. Als gebildeter Mensch, der sich das Lesen und Schreiben selbst beigebracht hat und gerne mal über das Leben philosophiert, weiß er auch, dass er als Sklave eine Rolle bedient. Seiner Tochter (und anderen Kindern) bringt er bei, sofort in einen radebrechenden Slang zu verfallen, sobald Weiße in der Nähe sind.

Eine genuschelte, schwer zu verstehende, hinterwäldlerische Sprache, die die  herrschenden Weißen von ihren Sklaven erwarten. Von den Sklaven indes nichts weiter als ein Trick, um eventuell noch mehr Pein zu entgehen. Gleichzeitig zieht Percival Everett mit dieser Kunstsprache die rassistische Herrschaftssprache ins Lächerliche, benutzen Schwarze untereinander doch ebenfalls die Hochsprache .

Der Satiriker Percival Everett

Zwischenzeitlich verlieren Huck Finn und Jim sich während ihrer Flucht aus den Augen und Jim gerät an die „Virginia Minstrels“, eine Gruppe von Sängern, die ihn derart schminken, dass er bei ihren Auftritten als ein als Schwarzer verkleideter Weißer durchgeht. Bereits in „Die Bäume“ entlarvte der afroamerikanische Autor den amerikanischen Rassismus auf satirische Weise und auch sein neues literarisches Werk dient ihm zur Aufdeckung eben jenem. Erneut erweist sich Everett dabei als ein, trotz der Schwere des Sujets, humorvoller Erzähler, der wieder einen klug arrangierten, mit pointierten Dialogen aufwartenden Roman geschrieben hat.  Eine Odyssee und Road Novel, die in Jims Kampf um die Freiheit eine drastische Note erhält. Obwohl im 19. Jahrhundert spielend, sind Thema und Quintessenz des Romans überaus aktuell. Und von Everett glänzend erzählt. Große Literatur.

Percival Everett: „James“, Hanser Verlag, übersetzt von Nikolas Stingl, Hardcover, 336 Seiten, 978-3-446-27948-3, 26 Euro. (Beitragsbild-Credit: Dan Tuffs / Alamy Stock Photo)                     

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