Kurz und gut: Neue Romane von André Kubiczek, Sebastian Stuertz und Percival Everett

André Kubiczek von Gérard Otremba

Neue Literatur von André Kubiczek, Sebastian Stuertz und Percival Everett

In unserer Rubrik „Kurz und gut“ befasst sich Sounds & Books heute mit den Romanen „Der perfekte Kuss“ des Berliner Autors André Kubiczek, „Da wo sonst das Gehirn ist“ des Hamburger Schriftstellers Sebastian Stuertz sowie „Erschütterung“ ihres amerikanischen Kollegen Percival Everett. Mithin drei die Vielfältigkeit der Literatur aufzeigende Romane.

André Kubiczek: Der perfekte Kuss

André Kubiczek Der perfekte Kuss Cover Rowohlt Berlin

Der nach dem für den Deutschen Buchpreis nominierten „Skizze eines Sommers“ und dem 2020 veröffentlichten „Straße der Jugend“ erhoffte dritte Teil um den Mitte der 80er-Jahre in der DDR aufwachsenden Ich-Erzähler René. André Kubiczek begleitet seinen Protagonisten durch die Jahre 1986/87, erzählt also Renés Zeit bis zum Abitur an der ABF in Halle und dessen 18. Geburtstag. Noch immer erhofft sich René die große Liebe mit Rebecca, doch so wirklich voran geht es in der Wunschbeziehung nicht wirklich und lässt ihn zu einem „Monster des Grübelns mutieren“. Auf der Suche nach dem Glück begegnet er der jungen, im Vergleich zu Rebecca eher hippiesk gekleideten Buchhändlerin Anja und neue Zukunftspläne hinsichtlich eines möglichen Studiums eröffnen sich.

Natürlich spielt die Musik weiterhin eine entscheidende Rolle in Renés Leben und nicht ganz zufällig liegt dem Romantitel der New-Order-Song „The Perfect Kiss“ zugrunde. Gewohnt charmant, witzig,  melancholisch und lebendig erzählt André Kubiczek aus dem Leben Renés. Wer die ersten beiden Bände in sein Herz geschlossen hat, wird auch „Der perfekte Kuss“ lieben.

André Kubiczek: „Der perfekte Kuss“, Rowohlt Berlin, Hardcover, 400 Seiten, 978-3-7371-0120-2, 24 Euro. (Beitragsbild: André Kubiczek, Credit: Gérard Otremba)

Sebastian Stuertz: Da wo sonst das Gehirn ist

Sebastian Stuertz Da wo sonst das Gehirn ist Cover btb

Zweitwerk der Hamburger Autors Sebastian Stuertz, der 2020 in John-Irving-Manier mit dem opulenten wie rasanten „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ debütierte. Schräge Figuren bevölkern auch seinen neuen Roman. Im Mittelpunkt stehen Alina und ihre Mutter Ulli, die sich in Urs, den Vater von Alinas nerdigen Mitschüler Corvin verliebt. Urs indes führt ein Doppelleben und mischt mit diversen Fake-Accounts die Social-Media-Kanäle im Internet auf. Trotz der manchmal nur schwer erträglichen, teils der Digitalisierung geschuldeten Jugendsprache kurz vor dem Abitur stehender Heranwachsender gelingt Sebastian Stuertz erneut ein absurd-komischer, einen gewissen Zeitgeist sowie das gesellschaftliche Chaos auffangender Roman. Urs‘ Rolle des Buhmanns als provozierender, politisch unkorrekter, sogenannter „alter weißer Mann“ gerät dabei allerdings arg plakativ, während es der Autor inhaltlich nicht an Political Correctness fehlen lässt. Sebastian Stuertz erzählt von einem Generationen-Clash, der folgerichtig nur in einem großen Drama und einem Paukenschlag enden kann.

Sebastian Stuertz: „Da wo sonst das Gehirn ist“, btb, Hardcover, 352 Seiten, 978-3-442-75948-4, 22 Euro.  

Percival Everett: Erschütterung

Percival Everett Erschütterung Cover Hanser Verlag

Eben noch am Schachbrett miteinander gespielt und parliert und dann die schockierende Nachricht einer seltenen und unheilbaren Nervenkrankheit bei der zwölfjährigen Tochter Sarah. Für den kauzigen Paläontologen Zach Wells, der als Ich-Erzähler zunächst herrlich selbstironisch und amüsant fabuliert, verändert sich die Welt, ist die Beziehung zu seiner Tochter doch eine stark ausgeprägte. Wells verliert sich in der merkwürdigen Idee, in New Mexico als Arbeitssklaven gehaltenen, mexikanischen Frauen helfen zu müssen. Eine Ersatzhandlung, um dem Schmerz und der Hilflosigkeit gegenüber der Diagnose zu entkommen. Der preisgekrönte afro-amerikanische Schriftsteller Percival Everett findet einen unaufgeregten, gefühlvoll ausbalancierten und stets richtigen Ton, um Zach Wells‘ neuem seelisch-kognitiven Zustand im Zeichen des Schmerzes Ausdruck zu verleihen. Ein wahrlich beeindruckender, tragischer und am Ende doch auch tröstlicher Roman.

Percival Everett: „Erschütterung“, Hanser, aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl, Hardcover, 288 Seiten, 978-3-446-27266-8, 23 Euro.           

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